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TS 30: Die Söhne der Erde

TS 30: Die Söhne der Erde

Titel: TS 30: Die Söhne der Erde
Autoren: Poul Anderson
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hatte hie und da zufällig den Ausdruck gehört, obgleich sie nicht genau wußte, was damit getan werden konnte. Sie in kleine Stücke reißen vermutlich und dann in den Wind streuen oder in den häßlichen, grauen Ozean des Nordens.
    Einen Augenblick verkrampften sich ihre Hände ineinander. Wenn sie nur Magnus Ryerson ebenso aus der Welt schaffen könnte.
    Sie kämpfte um Haltung. Sie war eine Dame. Keine Angehörige der Techniker-Kaste, aber immerhin die Tochter eines Professors. Sie konnte lesen und schreiben. Sie hatte Tanzen und das Flötenspiel gelernt, konnte den Tee kredenzen und ein Kleid besticken und mit gelehrten Männern Unterhaltung pflegen, so daß sie sich nicht langweilten, während sie auf ihren Vater warteten … Ihr Vater würde sehr verstimmt sein, wenn er erführe, daß sie den Vater ihres Mannes haßte. Das war jetzt ihre Familie.
    Nur …
    Ihre Stiefel knirschten den Hügel hinunter durch Schnee und Heidekraut und dann über die Steine des Strandes, der hier seine Flanke der See offen darbot. Die Brecher hämmerten auf den Fels ein mit einer Gewalt, die den Boden erzittern ließ, und Schaumspritzer brannten auf ihrer Haut. So weit sie blickte, erstreckte sich die weite, graue Öde schaumgekrönter Wellen.
    Das lebhafte grünliche Blau der südlichen Meere fiel ihr ein und die sanften Wellen, die unter unendlich hohen Himmeln den Fuß von Palmen umspielten.
    Und ein paar Sätze fielen ihr ein, die David einmal zu ihr gesagt hatte: Meine Familie waren Nordleute, soweit wir das zurückverfolgen können – Pikten, Schotten, Norweger. Alles Seeleute und Kleinbauern an der atlantischen Küste. Das muß der Grund gewesen sein, warum in den letzten Generationen so viele von uns Raumfahrer geworden sind. Um fortzukommen.
    Und dann, während seine Lippen ihr Haar liebkosten: Aber ich habe gefunden, wonach sie alle wirklich suchten.
    Man konnte sich schwer vorstellen, daß Davids Wärme und Zärtlichkeit und sein Lachen diesem Gespensterland entstammten. Sie hatte vorher immer geglaubt, daß vielleicht seine Religion, die ihm so viel Kummer bereitete, ein ihm fremdes Mal gewesen war, das ein Unbekannter ihm aufgedrückt hatte. Daß die Sekte, der er angehört hatte, verhältnismäßig unbekannt war, hatte sie noch in diesem Glauben bestärkt: Christen waren selbst heute noch nichts Außergewöhnliches, aber einen Protestanten hatte sie sich undeutlich als eine Art Moslem vorgestellt.
    Jetzt erkannte sie, daß Skulas Bewohner und Skulas Gott beide eins waren, beide Kinder der Insel, mit Salzwasser statt Blut in ihren Adern. David war es gelungen, sich zu einem normalen Leben durchzukämpfen. Er hatte sich bemüht, sich in etwas zu verwandeln, was in Magnus Ryersons Augen nicht mehr ganz menschlich war. Plötzlich entsann sich Tamara einer Nacht vor ein paar Wochen, als der alte Mann ihr eine Ballade zum Übersetzen gegeben hatte. „Unser Volk hat sie schon seit Hunderten von Jahren gesungen“, hatte er gesagt und sie dabei unter buschigen Brauen düster angestarrt.
     
    Er legte ab Kreuz und Eisenhelm
    Und sein Streitroß ließ er stehn
    Und Jesu Namen leugnete er
    Seit die Feenkönigin ihn geküßt
     
    Sie schlug mit der Faust gegen die offene Handfläche. Der Wind verfing sich in ihrem Mantel und riß ihn nach oben, so daß er um ihre Schultern flatterte wie schwarze Fladermausflügel. Fröstelnd wickelte sie sich fester hinein.
    Die Sonne war jetzt nur noch eine trübe rote Lampe in einer tiefen Höhle. In wenigen Minuten würde die Dunkelheit hereinbrechen, so undurchsichtig, daß man erfrieren konnte, bis man nach Hause gefunden hatte. Tamara begann schneller auszuschreiten, immer noch in der Hoffnung, vorher zu einer Entscheidung zu kommen. Sie war nicht deshalb nur draußen herumgelaufen, weil es im Haus nicht mehr auszuhalten gewesen war, aber ihre Gedanken schienen die ganze Zeit über eingefroren gewesen zu sein, und sie wußte immer noch nicht, was sie tun sollte.
    Das heißt, dachte sie, ich weiß es. Ich habe nur nicht den nötigen Mut, es auch auszuführen.
    Als sie vor dem Haus anlangte, war es bereits so dunkel, daß sie kaum noch die gekalkten Wände und das schneebedeckte Dach unterscheiden konnte. Aus ein paar Ritzen zwischen den Fensterläden fiel gelbes Licht. Vor der Tür blieb sie einen Augenblick stehen. Jetzt hineingehen … Aber es blieb ihr keine Wahl. Sie drückte die Klinke nieder und trat ein. Der Wind und das Grollen der See folgten ihr.
    „Mach die Tür zu, du kleine
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