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TS 33: Projekt Mikrokosmos

TS 33: Projekt Mikrokosmos

Titel: TS 33: Projekt Mikrokosmos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grinnel
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Nachdem er hineingeschlüpft war, schloß er den Sauerstoffbehälter an und verließ die Rakete durch die Luftschleuse. Er umrundete das blitzende Geschoß und hielt nach dem Hindernis Ausschau, das ihm zum Verhängnis geworden war. Er brauchte nicht lange zu suchen. Ein scharfkantiger Fels, kaum sichtbar unter seiner dünnen Eisschicht, hatte die hintere Hälfte der Rakete mit unheimlicher Gewalt aufgeschlitzt. Der metallene Leib bot ein Bild der Verwüstung. Die Steuerorgane waren zerfetzt, der Behälter mit dem unersetzlichen Treibstoff zusammengedrückt, und geborstene Leitungen hingen aus dem Rumpf.
    Warren kämpfte die Panikstimmung nieder, die ihn überkommen wollte, aber die Gewißheit blieb, daß er den Rückflug nach Komar nicht mehr würde antreten können. Er war ein Gefangener auf dem eisigen Mond! Nie würde er sich des Ruhmes erfreuen können, als erster auf einem fremden Planeten gelandet zu sein. Es gab keine Rückkehr für ihn, und was zu tun blieb, konnte nur noch symbolischen Wert haben. Er zwängte sich in die Pilotenkanzel zurück und hob den schlanken Titaniumstab, der die Flagge Souvas trug, aus der Halterung. Ein Dutzend Schritte von der Rakete entfernt, trieb er die Spitze in das Eis, trat zurück und legte die Hand an den Helm. Ein Gefühl des Stolzes durchdrang ihn, zugleich aber kam ihm zu Bewußtsein, wie lächerlich diese Zeremonie gegen die starre, von keinem Lebewesen bewohnte Kulisse des Mondes wirkte.
    Keine Miene verzog sich in Warrens Gesicht, als in diesem Augenblick die andere Rakete ebenfalls zur Landung ansetzte. Er sah die gelbe Flamme der Rückstoßdüse über den Bergen, in spitzem Winkel schoß die Rakete nach unten und nahm Kurs auf die gleiche Fläche, die Warren zur Landung gewählt hatte. Dann ging alles blitzschnell. Die Kufe der Rakete berührte den Boden, pfeilschnell schoß der metallene Körper dahin, und ehe Warren ein Warnsignal geben konnte, prallte das blitzende Geschoß mit voller Wucht auf die tückische Felskante, die auch Warrens Schicksal besiegelt hatte. Dröhnendes Krachen, das Reißen von Metall, dann tiefe Stille.
    Warren vergaß, daß er einem Feind zu Hilfe eilte, als er auf die Trümmer zulief. Er zweifelte nicht daran, daß der Pilot ein Mann aus Tannok war, aber in dieser Situation schwiegen alle Gegensätze, über allem stand die Pflicht, zu helfen. Mitten im Lauf hielt er inne und erstarrte. Er sah, wie eine dick vermummte Gestalt die zerstörte Rakete verließ, in der Hand die Flagge ihres Landes. Taumelnd machte der Pilot einige Schritte, dann hob er den Arm und stieß die metallene Spitze in den gefrorenen Boden. Warrens Erstarrung löste sich, die Komik der Situation kam ihm zu Bewußtsein und ließ ihn die Aussichtslosigkeit seiner Lage vergessen. Da standen sie, zwei gescheiterte Raketenpiloten, die einzigen Lebewesen in einer unendlichen Eiswüste, die sie wahrscheinlich nie mehr freigeben würde, und sie starrten mit verbissenem Stolz auf die Fahnen ihrer Länder, als könne ihnen von dort die Rettung kommen.
    Warren konnte nicht anders, er brach in ein lautes, befreiendes Lachen aus, und auch der Mann aus Tannok schien sich der Sinnlosigkeit seines Tuns bewußt zu werden. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem breiten Lachen, und so liefen die beiden Männer sich lachend entgegen und vergaßen alle Gegensätze, als sie voreinander standen, um sich nach kurzem Zögern zu umarmen – die Repräsentanten von Souva und Tannok – geschworene Feinde auf ihrer Welt Komar, auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen in der eisigen Unberührtheit des von ihnen eroberten Mondes.

 
9. Kapitel
     
    „Drei volle Monate lebten wir von unseren Vorräten auf dem Eismond, ehe uns schließlich doch die Rückkehr nach Komar gelang“, berichtete Warren später, und die Männer um ihn hielten den Atem an, um kein Wort zu versäumen. „Wir vergaßen die Feindschaft zwischen unseren Ländern, weil wir Leidensgenossen geworden waren. Wir dachten nicht daran, uns aufzugeben, obwohl das, was wir vorhatten, aussichtslos erschien. Ein Heer von Ingenieuren und Technikern hatte jahrelang an der Herstellung der beiden Raketen gearbeitet. Wir waren entschlossen, es ihnen gleichzutun, wenn auch in einem anderen Sinne – aus zwei schwer beschädigten Raketen wollten wir, mit den wenigen Werkzeugen, die wir besaßen, eine neue Rakete schaffen, die uns die Rückkehr in unsere Welt gestattete. Theoretisch waren die Voraussetzungen für ein Gelingen gegeben. Bei

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