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TS 34: Sie starben auf Ragnarok

TS 34: Sie starben auf Ragnarok

Titel: TS 34: Sie starben auf Ragnarok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Godwin
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stehen, und Mensch und Tier beobachteten sich wieder gegenseitig. Jeder von ihnen versuchte, die Gedanken des anderen Wesens zu lesen.
    Dann drehte sich der Tigerwolf um, lief seines Weges und ließ Schroeder allein zurück. Dieser setzte seinen Weg ebenfalls fort und schritt nachdenklich durch ein Wäldchen auf eine Lichtung zu.
    Er war dreißig Fuß vom gegenüberliegenden Ende der Lichtung entfernt, als er den grauen Schatten sah, der ruhig auf sein Näherkommen gewartet hatte.
    Einhorn!
    Schroeder griff blitzschnell zu seiner Armbrust. Sein erster Pfeil traf das Einhorn in die Brust. Doch trotz der schweren Verletzung stürmte die Bestie vorwärts. Der zweite Schuß verfehlte sein Ziel. Schroeder sprang zur Seite, doch der Sprung war zu kurz, und das heranpreschende Einhorn erfaßte ihn mitten in der Luft, brach ihm ein paar Rippen, seinen linken Arm und riß ihm eine Wunde in die Seite. Schroeder wurde fünfzehn Fuß weit geschleudert und prallte dann auf den Boden. Der Schmerz ließ ihn fast ohnmächtig werden.
    Trotzdem sah er noch, wie das Einhorn stürzte, und er hörte das laute Trompeten, mit dem das sterbende Tier einen Artgenossen herbeirief. Er hörte auch die Antwort von irgendwoher aus der Ferne und dann das dumpfe Dröhnen von herannahenden Hufen.
    Er kämpfte gegen die Ohnmacht und stützte sich auf seinen unverletzten Arm, um sich aufzurichten. Seine Armbrust war unbrauchbar, und sein Messer hatte er verloren. Sein linker Arm hing schlaff herunter, mit nur einem bewegungsfähigen Arm konnte er keinen rettenden Baum erklimmen.
    Hinkend bewegte er sich vorwärts und versuchte sein verlorenes Messer wiederzufinden, während das Dröhnen der Hufe immer näher auf ihn zukam.
    Das Gras wuchs hoch und dicht. Als Schroeder sein Messer etwa zehn Fuß links vor sich liegen sah, blieb ihm keine Zeit mehr, die Waffe zu holen, da das Einhorn schon auf dreißig Fuß weit an ihn herangekommen war. Es brüllte triumphierend auf und stürzte mit gesenktem Schädel auf ihn zu.
    Da schoß etwas von hinten an Schroeder vorbei und packte die Kehle des Einhorns – ein fauchendes, schwarzes, wildes Etwas mit gelben, funkelnden Augen und weißen Fängen – der Tigerwolf!
    Das Einhorn wehrte sich, doch der Tigerwolf war stärker.
    Schroeder holte sein Messer, und als er, es fest in der Hand haltend, den Kampfplatz erreichte, war der Kampf bereits entschieden.
    Das Einhorn lag tot am Boden, und der Tigerwolf drehte sich um und blickte Schroeder an. Blut lief an seinem Vorderlauf herunter, und die Brust keuchte schwer.
    Er muß mich beobachtet haben, dachte Schroeder mit einem seltsamen Gefühl. Er beobachtete mich vom Kamm aus und eilte mir dann zu Hilfe.
    Die Augen des Tigerwolfs richteten sich auf das Messer in Schroeders Hand. Er ließ es in das Gras fallen und schritt unbewaffnet auf den Tigerwolf zu, in der Hoffnung, das Tier möge den Sinn dieser Handlung verstehen.
    Kurz vor seinem Lebensretter blieb Schroeder stehen, setzte sich ins Gras und begann seinen gebrochenen Arm zu bandagieren. Der Tigerwolf beobachtete jede Bewegung, dann leckte er an seiner Schulterwunde.
    Mensch und Tier waren sich so nah, daß einer den anderen hätte berühren können.
    Wieder überkam Schroeder das seltsame Gefühl. Sie waren zusammen auf der Lichtung; ein Mensch und ein Tigerwolf, und jeder war mit seinen Wunden beschäftigt. Diese Tatsache knüpfte ein Band zwischen ihnen und machte sie für kurze Zeit zu Bundesgenossen. Es war eine Brücke zwischen Mensch und Tigerwolf geschlagen worden, von der niemand geglaubt hatte, daß sie jemals möglich wäre …
    Als Schroeder seine Verletzungen bandagiert und der Tigerwolf seine blutende Schulterwunde gereinigt hatte, zog sich das Tier ein Stück zurück, und Schroeder wußte, daß der Tigerwolf ihn nun verlassen und seines Weges ziehen würde.
    „Ich glaube, die Rechnung ist jetzt beglichen“, sagte Schroeder, „und wir werden uns wohl nie mehr wiedersehen. Gute Jagd und – Dank.“
    Der Tigerwolf stieß einen eigentümlichen Laut aus, und Schroeder hatte das Gefühl, als wollte das Tier versuchen, ihm etwas zu sagen. Dann drehte es sich um und streifte wie ein schwarzer Schatten durch das Gras. Schroeder war wieder allein.
    Er hob Messer und Armbrust auf und begann den langen, beschwerlichen Marsch zurück zu den Höhlen. Immer wieder blickte er sich um und dachte dabei: Sie haben einen Moralkodex. Sie kämpfen um ihren Fortbestand – aber sie bezahlen ihre Schulden.
    Ragnarok war

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