TS 35: Die Waffenhändler von Isher
weiteten sich mit einem Ruck und funkelten Cayle argwöhnisch an. „Wer sind Sie überhaupt?“ schnappte er. „Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.“ Seine Stimme klang vorübergehend fast nüchtern. „Bei Gott!“ sagte er hitzig. „Man kann sich dieser Tage keinen Schritt vor die Haustür wagen, ohne nicht irgendeinen Blutsauger aufzulesen. Ich hätte gute Lust, Sie festnehmen zu lassen.“
Cayle erhob sich mit knallrotem Gesicht und stolperte fort. Er spürte, daß er sich am Rand einer Panik befand. Was er innerhalb der letzten Stunde hatte einstecken müssen, war beinahe zu viel für ihn.
Allmählich gelang es ihm, seiner Erregung wieder Herr zu werden. Unbewußt war er, während er sich zu beruhigen suchte, zur vorderen Cocktail-Bar gewandert und hatte einen Blick hineingeworfen. Der Seehund und seine beiden Begleiter saßen immer noch da. Bai ihrem Anblick wurde sein Gesicht hart, und plötzlich wußte er, warum er hierher gekommen war. Aber bevor er etwas unternahm, brauchte er erst noch einige Informationen.
Er machte auf dem Absatz kehrt und suchte das Mädchen aus dem Waffenladen. Er fand sie in einer Ecke das Aufenthaltsraums, und sie legte bereitwillig das Buch zur Seite, in dem sie gerade las, als er sich zu ihr setzte. Ihre Augen studierten sein Gesicht, während er beschrieb, wie man ihm sein Geld gestohlen hatte. „Und das hätte ich gern gewußt“, endete Cayle. „Würden Sie mir raten, den Kapitän aufzusuchen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie. „Der Kapitän und die Besatzung erhalten auf den meisten Schiffen einen Anteil. Sie würden die Sache für sich nur verschlimmern.“
Cayle lehnte sich erschöpft zurück. Diese Reise, die erste größere seines Lebens, kostete Kraft und Nerven. „Wieso kommt es“, fragte er schließlich, „daß beispielsweise diese Burschen sich nicht an Sie herangemacht haben? Oh, ich weiß, vermutlich haben sie an Ihren Kleidern gesehen, daß Sie in die Hauptstadt gehören, aber ich meine, auf welche Weise suchen sie sich ihre Opfer?“
„Diese Männer benutzen Transparentscheiben, um zu sehen, wieviel Geld die einzelnen Leute bei sich tragen. Das erste, was sie dabei entdecken, ist, ob sie eine unserer Pistolen tragen. In so einem Falle machen sie einen weiten Bogen um den Betreffenden.“
Cayles Augen blitzten. „Könnte ich Ihre nicht einmal ausborgen?“ sagte er. „Ich werde es diesen Halunken schon zeigen.“
Das Mädchen zuckte die Achseln. „Jede unserer Waffen ist auf den einzelnen Träger abgestimmt. Meine Pistole würde Ihnen also nichts nützen. Und außerdem läßt sie sich nur für Verteidigungszwecke benutzen. Und dafür ist es für Sie zu spät.“
Cayle starrte finster auf den Boden. Das Gefühl der Verzweiflung kehrte zurück. Plötzlich schien es ihm, als wäre Lucy Rall seine letzte Hoffnung. Er mußte sie einfach überreden, ihm zu helfen. „Gibt es nichts, was die Waffenläden außer dem Verkauf der Waffen sonst noch tun?“ fragte er.
Das Mädchen zögerte. „Wir unterhalten eine Informationszentrale“, sagte sie schließlich.
„Was meinen Sie damit? Welche Art von Informationen?“
„Oh, alle Arten. Wo Leute geboren wurden. Wieviel Geld sie besitzen. Welche Verbrechen sie begangen haben oder noch begehen. Natürlich mischen wir uns nicht ein.“
Cayle runzelte die Stirn. „Aber was tun Sie dann?“ wollte er wissen. „Wenn Sie schon solch wunderbare Waffen haben, warum übernehmen Sie dann nicht einfach die Regierung?“
Lucy Rall lächelte und schüttelte den Kopf. „Sie verstehen das nicht ganz“, erwiderte sie. „Die Waffenläden wurden vor über zweitausend Jahren von einem Mann begründet, der der Meinung war, daß der ununterbrochene Machtkampf zwischen einzelnen Gruppen Wahnsinn wäre und daß Bürger- und anderen Kriegen endlich ein Ende gemacht werden müsse. Das war zu einer Zeit, als die Welt gerade aus einem Krieg hervorgegangen war, in dem mehr als eine Milliarde Menschen umgekommen waren, und er fand Tausende von Anhängern, die bereit waren, ihm zu folgen. Sein Gedanke war der, daß bestehende Regierungen unangetastet bleiben sollten, daß aber eine Organisation ins Leben gerufen werden sollte, die einem Hauptzweck zu dienen hätte – nämlich dafür zu garantieren, daß keine Regierung jemals wieder absolute Macht über das von ihr regierte Volk erlangen würde. Ein Mensch, dem Unrecht getan worden war, sollte in der Lage sein, zu seiner Verteidigung eine Waffe zu
Weitere Kostenlose Bücher