TS 35: Die Waffenhändler von Isher
für den einen, den er eingesetzt hatte. Er strich seinen Gewinn ein und setzte viermal je einen Kredit, verlor, setzte die gleichen Nummern und gewann. Diesmal waren es neunzig Kredit. Während der nächsten Stunde gewann er durchschnittlich einen von fünf Einsätzen, was selbst für ihn ungewöhnlich war, und es dauerte nicht lange, bis er statt nur einen jedesmal zehn Kredit riskierte. Der Packen Scheine, die er ab und zu gegen seine Münzen einwechselte, wuchs, und nicht ein einziges Mal mußte er auf seine Reserven zurückgreifen. Einmal dachte er flüchtig: Ich muß jetzt fast drei oder viertausend eingenommen haben. Zeit, aufzuhören. Ist wirklich nicht nötig, die ganzen fünftausend in einer Nacht zu gewinnen. Morgen ist auch noch ein Tag.
Aber dann spielte er doch weiter. Es war die Schnelligkeit des Spiels, die ihn im Grunde so fesselte. Ein jedes Mal, wenn der Gedanke kam, daß es Zeit wäre aufzuhören, begann der Automat mit einer neuen Runde, und dann warf er hastig seine Münzen hin. Wenn er dann verlor, überkam ihn ein Gefühl der Verärgerung und der Entschlossenheit, aber auch keinen einzigen seiner gewonnenen Kredite der Maschine zu gönnen. Und wenn er gewann, dann schien es ihm lächerlich, mitten in einer Glückssträhne aufzuhören.
Er schwankte jetzt fast wie ein Betrunkener. Sein Körper schien über dem Boden zu schweben. Er spielte weiter wie in Trance, kaum daß er sich der Geldscheine bewußt war, die ihm jetzt aus allen Taschen quollen, und der Menschenmenge, die sich in seiner Nähe drängte. Plötzlich spürte er, wie sich jemand gegen seinen Rücken preßte, und als er sich umwandte, warf ein hübsches Mädchen die Arme um seinen Hals und küßte ihn.
„O bitte, geben Sie mir etwas von Ihrem Glück ab. Bitte, bitte!“
Er machte sich automatisch frei und schaute sich um. Jetzt erst fiel ihm auf, wie sehr er zum Mittelpunkt des Interesses geworden war. Immer mehr neue Gesichter drängten sich zu ihm durch, schoben die alten rücksichtslos beiseite, alle begierig, an seinem Glück teilhaben zu können.
Und immer noch nahmen die Nacht und sein Glück kein Ende. Er war dreiundzwanzig Jahre alt, und der Überschwang der Gefühle, in dem er sich befand, ließ ihn alle Vorsicht vergessen. Und dann, unbemerkt von ihm, schlossen sich plötzlich die weiten Tore des Penny-Palastes, und ein untersetzter schwarzhaariger Mann trat neben ihn.
„So“, sagte er scharf und klopfte dabei Cayle auf die Schulter, „jetzt langt es aber. Der Platz ist geräumt, und wir können endlich mit diesem Unsinn aufhören.“
Cayle starrte ihn erst verständnislos und dann mit wachsender Unruhe an. „Ich denke“, murmelte er, „es ist besser, ich gehe jetzt.“
Jemand schlug ihm mit der flachen Hand quer übers Gesicht. „Noch mal“, sagte der untersetzte Mann. „Er scheint immer noch nicht ganz da.“ Der zweite Schlag kam noch härter. Cayle wachte aus seiner Entrückung auf mit der plötzlichen glasklaren Erkenntnis, daß er sich in tödlicher Gefahr befand.
„Was ist los? Was wollen Sie von mir?“ stammelte er. Hilfesuchend blickte er um sich in die Gesichter der umstehenden Leute, die ihm noch wenige Minuten vorher zugejubelt hatten. Es schien unmöglich, daß man etwas gegen ihn zu unternehmen wagen würde, solange noch so viele andere Besucher anwesend waren.
Er fuhr herum, als er rauhe Hände in seinen Taschen spürte, und stand steif da, während sie ihm das gewonnene Geld wieder abnahmen. Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des untersetzten Mannes.
„Seien Sie doch nicht so naiv. Was wir von Ihnen wollen, ist gar nichts Ungewöhnliches. Alle regulären Besucher haben inzwischen mehr oder minder freiwillig das Haus verlassen. Die Leute, die Sie hier sehen, sind extra für solche Gelegenheiten wie diese von uns gemietet und kosten uns pro Person zehn Kredit. Das sind zehntausend, und Sie haben das Fünfzig- oder Hundertfache gewonnen.“ Er zuckte die Achseln. „Eine einfache Rechnung. Seien Sie das nächste Mal nicht so gierig. Das heißt, falls es ein nächstes Mal gibt.“
Cayle hatte endlich seine Stimme wiedergefunden. „Was haben Sie mit mir vor?“
„Sie werden schon sehen.“ Der Mann lächelte ölig und erhob seine Stimme. „Los schon, schafft ihn weg, damit wir wieder aufmachen können.“
Cayle spürte, wie kräftige Hände nach ihm griffen und ihn hinwegzerrten. Voller Verzweiflung dachte er, daß sein Leichtsinn ihn nun wieder in eine Lage gebracht hatte,
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