TS 37: Tödliche Träume
doch beruhigen ließ er sich am besten durch den Trick. Er half offenbar.
„Wir sind völlig in Ordnung, mein Junge“, erklärte Nord optimistisch. „Und wir werden es schaffen …“
Kurze Zeit später mußten sie sich mit ihrem unfreiwilligen Passagier befassen. Trotz des Schocks und der Schlaftablette war er wieder halb zum Bewußtsein gekommen.
„Banditen!“ schrie er. „Ihr Kidnapper! Wir sind im Weltraum. Bringt mich sofort zurück. O, bitte, bringen Sie mich zurück. Ich bin Burris vom Ajax, damit Sie klarsehen. Burris bin ich, verstehen Sie?“ Er schrie und schluchzte.
Für Carpenter und Nord hatte der Name Burris keinerlei Bedeutung. Sie zuckten die Schultern, drückten den Dicken wieder flach in die Koje zurück und hielten ihn fest. Die fahrige Hand des Medizinstudenten Carpenter war plötzlich ganz ruhig, als er Burris eine Injektion gab, die ihn wieder einschlafen ließ.
„Ich sterbe“, murmelte Burris verzweifelt.
,Sterben’ war das Wort, das man längst aus dem Lexikon gestrichen hatte …
9. Kapitel
Die folgenden Stunden und Tage waren kaum, wie Nord sie sich gewünscht hatte. Solange sie sich mit der Raumkrankheit herumschlagen mußten, befanden sie sich mehr oder weniger im Stadium des Phantasierens. Oft half nur noch der Humor. Wenn der Schwindel sie zu ersticken drohte, kam plötzlich ein Lachen über sie. Einer lachte über den anderen, oder beide lachten zusammen über ihren gemeinsamen Zustand. Es war wild und hemmungslos und irr.
„Du siehst blöd aus, Nord. Ausgesprochen blöd …“
„Faß dich an die eigene Nase, Kind! Such dir einen Spiegel! Sobald du dich sehen kannst, wird dir übel werden. Aber was kannst du bei hundert Meilen pro Sekunde mehr verlangen? Ich will nicht behaupten, daß du zu Hause schöner ausgesehen hast, aber …“
„Was soll diese verrückte Reise, Nord? Jupiter, Ganymed, Kallisto! Was zum Teufel suchen wir da? Da gehören wir nicht hin. Es war deine Idee. Nur deine verrückte, idiotische Idee …!“
„Natürlich, mein Junge, du drehst es hin, wie es dir paßt. Aber wer von uns hat das Heldentum gepredigt? Jetzt hast du es, und ich denke, es muß das reine Vergnügen für dich sein.“
Es waren die Scherze von Verrückten und Betrunkenen. Und tausendmal geschah es, daß Nord plötzlich den Wunsch hatte, Sensipsych zu träumen. In ihrer jetzigen Position hatten sie keinerlei Verbindung mehr mit irdischen Sendern. Um so stärker wurde die Sucht nach den Träumen. Natürlich durften es keine Weltraumabenteuer sein. Am besten wären die Visionen von Blumen, Bäumen und weißen Sommerwolken gewesen. Irgend etwas ausgesprochen Irdisches mußte es zeigen. Sogar die Mickey-Maus hätte gereicht. Es wäre etwas zum Lachen gewesen.
Dann kreuzten sie die Zone der marsianischen Radiosender und hatten eine Zeitlang Empfang.
Detroit, Chicago, San Francisco, London und Hamburg waren bombardiert worden. Sozusagen als Vorgeschmack auf das, was noch folgen würde. Später hörten sie eine Bandaufnahme von George Schaeffers letztem Aufruf.
„… ich kann Ihnen nur immer wieder diesen Rat geben. Gehen Sie zurück zum Sensipsych. Es ist das Beste! Für Ihre Sicherheit sorgt die Robot-Polizei. Die herumstreifenden Banden der Barbaren sind nahezu vernichtet und eingekreist. Gehen Sie zurück, nach Hause! Ruhen Sie sich aus!“
Ellwynn Carpenter hörte nicht bis zum Ende mit. Seine strapazierten Nerven gingen schon vorher mit ihm durch. Er weinte wieder. Diesmal aber mehr vor Wut.
„Dieser verdammte Schaeffer! Verräter der Menschheit! Narr! Dreckiger Gauner …“
Nord war beinahe derselben Ansicht. Aber seine Bitterkeit ging tiefer. Hier draußen im Weltraum, auf einer Reise, die immer sinnloser erschien, mußte er plötzlich feststellen, daß er die Menschen und ihre Erde mehr liebte, als er jemals geglaubt hatte. Und noch intensiver als früher wünschte er seiner Rasse eine Zukunft, die anders war als die verweichlichten, ereignislosen Jahre, die hinter ihm lagen.
Manche Nachricht gefiel ihm sogar. Es war zum Beispiel davon die Rede, daß sich überall in den Städten kleine Gruppen bildeten, die sich, mit den ausgefallensten Instrumenten bewaffnet, zur Verteidigung gegen die Mordbanden einrichteten. Sie nannten sich die Minutenmänner.
Dann empfing Nord plötzlich eine andere Stimme. Sie klang mechanisch und kratzend. „Hier spricht Mathais! – Minutenmänner, wir begrüßen und bewundern euch! Ihr seid das erste Ergebnis unserer
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