TS 38: Planet der Amazonen
hügelabwärts zwischen offen daliegenden Felsblöcken und subtropischem Sumpfrohr hindurch. ZweiStunden verstrichen, bis sie eine Quelle fanden. Dann gingen sie auf feuchten Steinen weiter vor und erblickten schließlich einen großen Fluß, der in einen tiefen Abgrund stürzte. Der Hauptplanet verschwamm hinter dichtem Nebel, in dem schwache Regenbogen tanzten. Das Rauschen des Wassers übertönte ihre Stimmen und dröhnte in ihren Köpfen.
Davis warf Barbara einen verstohlenen Blick zu. Das Mädchen beobachtete den Strom mit großen Augen und weit aufgerissenen Lippen. Kleine Nebelperlen funkelten wie Diamanten in ihrem Haar.
Nach Mitternacht erreichten sie den Grund der Schlucht. Eine Zeitlang schauten sie dem schäumenden Tosen und der weißen Säule des Katarakts zu. Dann erhob sich Barbara mit einem leisen Seufzen und schleppte sich weiter.
Der Pfad folgte dem Flußufer. Die Wände der Schlucht erweiterten sich zusehends vor ihnen, bis sie mehrere Kilometer auseinanderlagen. Auch der Fluß wurde breiter, bis sich schließlich eine Wasserfläche, breit wie ein See, träge zwischen Böschungen und steilen Klippen dahinzog.
Gegen Morgen entdeckte Davis eine große Insel im rosigen Schein des Himmels. Sie war annähernd kreisförmig, ungefähr zehn Kilometer breit und dicht mit Wald überwuchert. Sie reichte bis auf wenige Meter ans Ufer heran, und er befaßte sich mit dem Gedanken, hinüber zuschwimmen.
Dann aber erkannte er im Dämmerlicht, daß die Insel unangreifbar war. Mächtige Basaltklippen stiegen zehn Meter steil in die Höhe, und erst auf ihrer Spitze begann der Wald. Ohne jegliche Antigrav-Ausrüstung oder magnetronische Schuhe konnte also niemand …
„Hoy!“ Valeria hielt an; Steine rollten unter ihren Füßen weg.
Einen Augenblick später sah es auch Davis: Eine schmale Hängebrücke, die von der Klippe ans Ufer führte.
Barbaras Armbrust glitt in Bereitschaft. „Hier lebt also jemand“, meinte sie flüsternd.
„Ja, hier hört auch unser Pfad auf“, nickte Valeria. „Die Frage ist nur, wer dort drüben lebt und wie wir sie herausrufen können!“
Davis erachtete es als seine Pflicht, vorauszugehen, und er dachte kurz daran, einen Schuß abzufeuern. „Wer es auch sei, der braucht sich von keinen Burkes und auch sonst niemandem außer den Ärzten Vorschriften machen zu lassen. Diese Insel erhält sich bestimmt selber und kann auch nicht eingenommen werden.“
„Nein?“ knurrte Valeria. „Ich würde mich allein über jene Brücke schlagen.“
„Alles, was sie zu tun haben, ist, vom sicheren Schutz des Waldes aus zu schießen. Und inzwischen schneiden sie diese Leinen durch, und schon fällt die Brücke. Wie willst du aber eine neue bauen, während die Bewohner der Insel auf deine Bauleute schießen?“
„Wie kamen sie zum erstenmal hinüber?“
„Mit Leitern vermutlich. Aber auch die wären gegen eine richtige Verteidigung nicht wirksam.“
Davis hielt am Fuß der Brücke an. Auf der anderen Seite mußte sich ein Beobachter im Zwielicht zwischen den Bäumen aufhalten. Er formte mit den Händen einen Trichter vor dem Mund.
„Hallo, dort drüben! Wir kommen in Frieden!“
Echos erschallten zwischen dem Fluß und den Abhängen der Böschung. Es entstand eine kurze Stille. Dann erschien ein schlankes Mädchen oben auf der Brücke. Sie trug langes braunes Haar und ein paar Blumen. In den Händen hielt sie eine Armbrust. „Wer seid ihr?“ rief sie schüchtern.
„Sie ist eine Craig“, flüsterte Barbara Davis zu. „Zu Hause sind sie alle Dichterinnen und Weberinnen. Aber wieso steht eine Craig hier auf Wache?“
Davis schwieg und richtete sich zu voller Größe auf. „Ich bin Davis, ein Mann, gekommen von der Erde, um das alte Versprechen einzulösen“, erklärte er und kam sich ziemlich dumm vor dabei. Barbara unterdrückte ein Kichern.
„Oh!“ Die Craig ließ ihre Armbrust fallen und begann zu zittern. „Ein Mann! Ohhhh!“
„Ich komme als Vorhut, von allen anderen Männern, auf daß sie alle heimkehren zu ihren rechtmäßigen Frauen und das Böse auf der Welt Atlantis ausrotten“, donnerte Davis. „So laßt mich eure Brücke überqueren, damit ich – äh – eure Hilfe für – äh – meinen Kreuzzug anfordern kann!“
Die Craig schrie auf und taumelte auf das Gesicht. Davis betrat die Brücke. Sie war zu steil für einen möglichst eindrucksvollen Schritt, aber der Zeitpunkt war ausgezeichnet. Bee erhob sich soeben in goldenem Dunst über dem Wasserfall.
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