TS 43: Der Zauberer von Linn
ihre Unterstützung zu schenken. Aus keinem Satz ging hervor, daß er die bestehende Regierung absetzen wolle, aber dieses Ziel war offensichtlich.
Die ersten Antworten trafen aus den näheren Provinzen ein, und es gab keine, die negativ gewesen wäre.
Noch ehe dieser zweite Tag zur Neige ging, trafen die ersten Besucher ein und versicherten Clane, ihm treu ergeben zu sein. Man sah ihnen die Erleichterung an, endlich wieder einen Mann als Führer zu besitzen, keinen unreifen Knaben.
Die Spannung stieg, trotzdem zog sich Clane früh zurück, um endlich einige Stunden zu schlafen. Träume beunruhigten ihn, und als er am anderen Morgen erwachte, fühlte er sich noch zerschlagener als am Abend zuvor.
Am dritten Tag erreichte die Flut der Zuschriften und Rückantworten ihren Höhepunkt. Immer mehr Besucher und neue Angestellte trafen ein. Es wurde notwendig, die Gastwirtschaft auf der anderen Seite der Straße als Verwaltungsnebenstelle einzurichten.
Clane aß zu Mittag. Er saß am Fenster und konnte die landenden und abfliegenden Kurierboote beobachten.
Am Nachmittag schickte er seinen zweiten Brief auf die Reise. Er war an die Gouverneure und Patrone gerichtet. Sein Wortlaut war kurz und knapp und endete mit der Anweisung:
„Von allen Schreiben, die Sie an Calaj senden, müssen unserer Verwaltung Kopien zur Verfügung gestellt werden. Auch haben Sie uns Kenntnis von allen Dokumenten zu geben, die Sie von Calaj erhalten.“
Der Erfolg dieses Befehls war erstaunlich. Eigentlich hatte Clane nicht mit einer so prompten Ausführung gerechnet, aber es trafen ganze Schiffsladungen von Briefen und Dokumenten ein. Die Arbeit konnte kaum noch bewältigt werden. Gegen Abend und in der Nacht landeten die Gouverneure und Patrone, um sich an Ort und Stelle von dem Umbruch zu überzeugen, der sich ankündigte.
Clane lag erschöpft in seinem Bett. Die erste Schlacht war geschlagen und gewonnen. Die Männer hatten so reagiert, wie er es erhofft hatte. Sie erkannten ihn an. Und es war auch höchste Zeit, denn für die Menschheit war es inzwischen fünf Minuten vor Zwölf geworden.
Am anderen Morgen schlug ein einflußreicher Gouverneur vor, das Hauptquartier direkt nach Golomb zu verlegen. Clane stimmte zu. Der Umzug sollte am folgenden Tag stattfinden.
Erste Berichte aus dem Palast des Lordführers besagten, daß immer mehr Angestellte und Verwaltungsbedienstete nicht mehr zum Dienst erschienen. Lilidel erfuhr von den Vorkommnissen und tat genau das, was Clane von ihr erwartete. Sie erschien in persona.
Der Mann, der sie anmeldete, sagte:
„Lord Clane, eine Frau möchte Sie sprechen. Sie behauptet, Ihre Schwägerin zu sein.“
Das war hart, sehr hart sogar.
„Ich erwarte sie“, entgegnete Clane.
Ihr Gesicht zeigte Flecken, und tiefe Ringe unterstrichen die flackernden Augen, in denen der Haß glühte.
„Du Wahnsinniger!“ schrie sie Clane an, der ruhig sitzen blieb. „Wie kannst du es wagen, die legale Regierung stürzen zu wollen?“
Legale Regierung, hatte sie gesagt. Clane lächelte bitter. In seiner ruhigen Art versuchte er ihr zu erklären, daß jede Regierung, auch eine legale, den Notwendigkeiten einer verzweifelten Lage zu weichen habe, wenn sie versagte. Und Calaj hatte versagt, also mußte er abtreten. Wenn nicht freiwillig, dann eben mit Gewalt.
Aber Lilidel hörte gar nicht zu.
„Ich werde alle Verräter bestrafen lassen!“ schrie sie, und ihre Stimme drohte, sich zu überschlagen. „Traggen erhielt den Befehl, sie zu verhaften und hinrichten zu lassen.“
„Und ich befahl Traggen heute morgen, mir Calaj zu bringen. Und zwar lebendig. Wir wollen abwarten, wessen Befehl er befolgt.“
Lilidel starrte ihn schweigend an, dann sank sie langsam zu Boden. Ihre Kräfte hatten sie verlassen.
Am Nachmittag wurde Calaj gebracht. Vergeblich versuchte Clane, ihm die Lage klarzumachen. Schließlich gab er es auf und schickte den jungen Mann unter Bewachung in eine Irrenanstalt, wo er von seiner Mutter bereits erwartet wurde. Damit war seine Regierungszeit zu Ende.
Für Clane blieb jetzt nur noch eine Aufgabe: die Riss.
*
Aber er hatte sich selbst überschätzt.
Die Schlaflosigkeit hatte seine Widerstandskraft untergraben, und er wurde krank. Achtzehn Tage schüttelte ihn das Fieber, und nur selten erwachte er aus seiner tiefen Bewußtlosigkeit. Dann endlich siegte seine Gesundheit über das Fieber.
Als er die Augen aufschlug, saß Czinczar neben seinem Bett auf einem Stuhl. Er war
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