TS 49: Der Weltraumarzt
das klang nach dem Typ von Leuten, wie er im öffentlichen Dienst zu finden ist. Selbstverständlich gab es schon längst keine Trennung der Klassen mehr, vor allem nicht nach der Höhe des Einkommens. Wenigstens traf dies auf die Mehrzahl der bewohnten Welten zu. Aber natürlich bildete sich trotzdem eine Art von gesellschaftlicher Gruppierung aus, und zwar gliederten sich die Gruppen auf der Grundlage ähnlicher Neigungen und Talente, die ja auch die Berufswahl bestimmten und geradezu zwangsläufig ein gewisses Maß von natürlicher Sympathie und harmonischem Einvernehmen schufen.
Calhoun wußte jetzt, wo er sie unterzubringen hatte. In seinem Gedächtnis tauchte eine schon längst aus der Mode gekommene Bezeichnung auf: „Gehobener Mittelstand.“ Das Schlagwort hatte in wirtschaftlicher Hinsicht keinerlei Bedeutung mehr, wohl aber spielte es in der Medizin noch eine gewisse Rolle.
„Nun hätte ich gerne von Ihnen so etwas wie eine Krankengeschichte“, sagte er in leichtem Plauderton. „Ich denke, wir fangen gleich mit Ihrem Namen an!“
„Helen Jons“, flüsterte sie mit leiser, müder Stimme.
Er mußte das Mikrophon des winzigen Tonaufnahmegerätes nahe an ihre Lippen halten, um ihre Antworten verständlich festzuhalten. Von Beruf war sie Statistikerin, denn für den Aufbau der Stadt hatte man selbstverständlich auch Verwaltungskräfte gebraucht. Während die Mehrzahl der Facharbeiter zu ihrer Heimatwelt Dettra zurückkehren würde, sobald die geplanten Bauten fertiggestellt waren, sollte der Verwaltungsstab auf Maris III bleiben, um die mit der Ankunft der Kolonisten verbundenen organisatorischen Aufgaben wahrzunehmen.
„Moment mal, das müssen Sie mir erklären“, unterbrach Calhoun an dieser Stelle ihren Bericht. „Sie gehören also zum Verwaltungspersonal, das in der Stadt blieb, um auf die Siedler zu warten. Aber vorhin sagten Sie doch, Sie seien aus der Stadt geflohen. Nun gibt es aber dort noch Leute, zumindest in der Gegend des Landegerüstes. Das kann ich mit ziemlicher Sicherheit behaupten. Gehörten die etwa auch zur Verwaltung? Vermutlich nicht. Aber wo kommen die Kerle dann her?“
Sie schüttelte in stummer Verneinung den Kopf.
„Wer sind diese Leute?“ wiederholte er seine Frage.
„Ich weiß es nicht“, murmelte sie tonlos. „Sie kamen nach dem Ausbruch der Seuche.“
„Ach, das ist ja interessant“, sagte Calhoun. „Erzählen Sie weiter. Wann und wie tauchte die Seuche auf?“
Immer wieder drohte ihre Stimme zu versagen, aber sie fuhr in ihrem Bericht fort.
„Die letzte Schiffsladung von Arbeitern stand bereit, um nach Hause zurückzukehren. Kurze Zeit vor der Einschiffung nach Dettra wurden einige der Leute krank. Um diese Zeit waren noch ungefähr tausend Menschen in der Stadt. Unter ihnen waren alle möglichen Rassen und Berufe vertreten. Die ersten Opfer der Seuche waren aber Leute, die in den weitläufigen Anpflanzungen gearbeitet und sich zuletzt mit der Aufzucht der jungen Nutzgewächse beschäftigt hatten.
Ehe man die Seuche als solche erkannte, war sie schon weit verbreitet. Es gab keine auffälligen oder gar typischen Frühsymptome, aber die Erkrankten fühlten sich allgemein energielos, matt und leicht ermüdbar.
Das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung war durch die einsetzende und stetig zunehmende Kurzatmigkeit gekennzeichnet. Die ersten Zeichen von Atemnot erschienen nicht besonders eindrucksvoll. Ein Mitglied des ärztlichen Stabes war der erste, dem auffiel, daß er ohne ersichtlichen Grund nach Luft schnappen mußte. Zuerst hatte er ungeduldig versucht, trotz seiner lästigen Abgeschlagenheit und Mattigkeit sein gewohntes Tagespensum zu leisten. Er hielt seine Beschwerden für Symptome einer belanglosen und vorübergehenden Unpäßlichkeit. Als aber die Zeichen der Atemnot an Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig ließen, schöpfte er Verdacht und führte an sich selbst eine Stoffwechseluntersuchung durch. Das Resultat war eine erstaunliche Erniedrigung des Grundumsatzes.“
„Halt, einen Augenblick!“ unterbrach Calhoun, „Sie sind Statistikerin, aber Sie werfen nur so mit medizinischen Ausdrücken um sich. Wie kommt das?“
Das Mädchen errötete etwas und sagte zögernd: „Daran muß Kim schuld sein. Er gehörte zum ärztlichen Stab. Wir hatten die Absicht, zu heiraten.“
Calhoun nickte.
„Weiter, bitte!“
Selbst das Sprechen schien sie jetzt eine übermenschliche Anstrengung zu kosten. Sie versuchte es dennoch und
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