TS 49: Der Weltraumarzt
denen über die Hälfte bereits Symptome der Erkrankung aufwiesen. Wir hatten niemand mehr, der in der Lage war, das Landegerüst zu bedienen. Also landete das Schiff mit Hilfe seiner Notraketen.“
Ihre Stimme schwankte, als sie die Ereignisse beschrieb, die auf die Landung des fremden Schiffes folgten.
Das Fahrzeug setzte mitten im Landegerüst der Stadt auf, die sterben sollte, ohne je richtig zum Leben erwacht zu sein. Der Landeplatz war menschenleer. Die noch nicht von der Krankheit Befallenen hatten den Kern der Stadt verlassen und sich weithin zerstreut in der Hoffnung, die Ansteckungsgefahr durch gegenseitige Isolation in neuen und noch nicht verseuchten Wohnungen zu verringern. An Nachrichtenverbindungen fehlte es nicht, also konnten sie miteinander und mit der Außenwelt in Verbindung bleiben. So kam es, daß nahezu sämtliche Überlebenden die Landung des Schiffes mittels der automatischen Aufnahmeschirme am Kontrollgebäude des inzwischen nutzlos gewordenen Landegerüstes verfolgten.
Das Schiff setzte auf. Männer strömten heraus. Sie sahen nicht wie Ärzte aus, und sie verhielten sich auch nicht wie solche. Ihre erste Handlung war, unverzüglich die Aufnahmeschirme des Kontrollgebäudes abzuschalten. Es gelang nicht, die Verbindung wiederherzustellen. Verständlicherweise versuchten daraufhin die einzelnen Gruppen von Überlebenden, den Sichtsprechkontakt miteinander herzustellen. Sie glaubten, Grund zu einer letzten verzweifelten Hoffnung zu haben. So kam es zu einem allgemeinen, freudig erregten Meinungsaustausch. Plötzlich erschienen einige der soeben gelandeten Männer in einer Wohnung, deren Besitzer gerade mit einer Gruppe in einem anderen Gebäude sprach. Er ließ das Sichtsprechgerät eingeschaltet und ging den Männern entgegen, um sie zu begrüßen in der selbstverständlichen Hoffnung, eine Gruppe von Forschern vor sich zu haben, die gekommen sei, um etwas gegen die Seuche zu unternehmen.
Die Zuschauer an dem anderen Sichtsprechgerät beobachteten in freudiger Spannung die Szene. Sie sahen, wie die Gruppe der Ankömmlinge die Wohnung betrat. Dann wurden sie Zeugen der eiskalten Geschäftsmäßigkeit, mit der man ihren Freund und die Überlebenden seiner Familie ermordete.
Die tödlich erschrockenen Menschen – in Gruppen zu zweien und dreien über die ganze Stadt verstreut, in ihrer Mehrzahl bereits von der Seuche befallen – besprachen über das Nachrichtennetz verzweifelt das furchtbare Ereignis. Sie klammerten sich an die Möglichkeit, daß es sich um ein schreckliches Mißverständnis, einen Irrtum oder eine eigenmächtige, verbrecherische Tat handeln könnte. Es war aber kein Mißverständnis. In kurzer Zeit gab es nicht mehr den geringsten Zweifel an der unglaublichen Tatsache, daß die Epidemie auf Maris III zwar wirklich ausgerottet werden sollte, allerdings auf eine ganz besonders scheußliche Weise. Sowohl Erkrankte wie auch mutmaßliche Überträger sollten augenscheinlich nach den bei einer Tierseuche üblichen und bewährten Verfahren vernichtet werden, um ein Übergreifen der Krankheit auf die Neuankömmlinge zu verhindern.
Das menschliche Empfinden der Unglücklichen sträubte sich zunächst gegen die Annahme eines derart grauenvollen, widernatürlichen Planes. Aber die endgültigen Beweise ließen nicht lange auf sich warten. Als die Nacht hereinbrach, wurde plötzlich die Energieversorgung der Stadt unterbrochen. Damit endete auch jede Möglichkeit zum Austausch von Nachrichten. Die Dämmerung auf Maris III, so berühmt wegen ihrer einzigartigen Schönheit und Ruhe, brachte diesmal die lautlose Stille des Todes.
Das Häuflein der Überlebenden floh in dieser Nacht. Einzeln und in kleinen Gruppen flüchteten sie hinaus ins freie Land. Mit sich trugen sie den Todeskeim der Seuche. Einige schleppten auf ihren Schultern Angehörige – Ehegatten, Kinder, Verwandte, Freunde, die vor Schwäche nicht mehr selbst gehen konnten. Sie wußten, daß sie durch die Flucht ihr Leben nicht retten konnten. Aber sie wollten wenigstens menschenwürdig sterben.
Mit einiger Anstrengung gelang es Calhoun, seiner Bewegung Herr zu werden.
„Das ist kein Bericht über Ihren eigenen Fall“, sagte er mit erzwungener Sachlichkeit. „Was auch immer diese Krankheit sein mag – wann, und wie setzte sie bei Ihnen ein?“
„Sie können also die Diagnose noch nicht stellen?“ fragte Helen hoffnungslos.
„Noch nicht, leider!“ gab Calhoun zu. „Ich habe noch viel zuwenig Einzelheiten, um
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