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TS 49: Der Weltraumarzt

TS 49: Der Weltraumarzt

Titel: TS 49: Der Weltraumarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murray Leinster
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einigermaßen sichere Schlüsse zu ziehen. Deshalb brauche ich noch weitere Informationen.“
    Jetzt erzählte das Mädchen seine eigene Geschichte. Auch bei ihr war das erste Symptom lediglich eine gewisse allgemeine Lustlosigkeit gewesen. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie zunächst der Mattigkeit Herr werden, aber das Schwächegefühl steigerte sich von Tag zu Tag. Es kostete immer mehr Willenskraft, sich auf irgend etwas zu konzentrieren. Jede erzwungene Anstrengung war von einer zunehmend längeren und tieferen Erschöpfung gefolgt. Sonst hatte sie keinerlei Beschwerden, nicht einmal Hunger oder Durst. Aber schließlich merkte sie, daß es sie immer mehr Mühe kostete, einen Entschluß zu fassen und auszuführen.
    „Ich war schon vor dem Verlassen der Stadt angesteckt“, murmelte Helen tonlos. „Damals wußte ich das nicht. Jetzt kann ich mir ausrechnen, daß ich noch einige Tage fähig sein werde, zu denken und zu handeln, wenn ich mich sehr anstrenge. Und dann wird der Augenblick kommen, wo es beim besten Willen nicht mehr geht.“
    Calhoun beobachtete das winzige Aufnahmegerät, an dem der feine Draht des Tonträgers mit seinen zahlreichen Kanälen von einer Rolle auf die andere spulte, während sie sprach.
    „Vorhin hatten Sie noch Energie genug für einen Mordversuch“, bemerkte er und betrachtete die Waffe. Der Lauf ähnelte dem eines Sportblasters. Nahe der Mündung war, im rechten Winkel zur Laufachse, eine gebogene stählerne Blattfeder angebracht. Die Enden der Feder verband eine stählerne Sehne, die in einem beweglichen Haken eingehängt werden konnte, sobald die Feder mit dem dafür bestimmten Hebel gespannt war. Die in der Feder aufgespeicherte Energie teilte sich nach Auslösen der Stahlsehne dem Geschoß mit, das in der Führung des Laufes ruhte. Er fragte:
    „Wer hat Ihnen diese Armbrust gespannt?“
    Helen zögerte. „Kim … Kim Walpole“, sagte sie schließlich.
    „Dann waren Sie also nicht allein? Es gibt noch Überlebende Ihrer Gruppe, mit denen Sie zusammen waren?“
    Sie zögerte erneut. Dann gab sie sich einen Ruck und flüsterte: „Einige von uns kamen zu der Ansicht, daß es keinen Sinn hätte, getrennt zu bleiben. Sterben mußten wir ja so oder so, denn wir waren alle von der Seuche angesteckt. Kim gehört zu uns, er ist noch am besten bei Kräften und hat mir den Bogen gespannt. Er war auch derjenige, der die Waffen besorgt hat.“
    Calhoun stellte einige scheinbar zusammenhanglose Fragen. Sie erzählt ihm von der Gruppe von Flüchtlingen, die sich zusammengetan hatte, weil jeder einzelne wußte, daß es für sie sowieso keine Rettung mehr gab. Ursprünglich waren sie elf Personen gewesen. Zwei waren inzwischen gestorben, und drei andere befanden sich im Stadium der finalen Lethargie. Man konnte sie nicht einmal mehr füttern, ihr Leben würde also bald verlöschen. Der Zustand von Kim Walpole war relativ noch der beste. Deshalb hatte er sich in die Stadt gewagt, um den anderen Waffen zu besorgen. Er war von Anfang an ihr Anführer gewesen, war auch jetzt noch immer der Stärkste und wenigstens nach Ansicht des Mädchens auch der Klügste von allen.
    Sie warteten nur noch auf den Tod. Aber die Neuankömmlinge auf dem Planeten – nach ihrer Meinung mußte es sich um Eindringlinge handeln – waren nicht bereit, sie in Frieden sterben zu lassen. Sie sandten regelrechte Jagdkommandos aus, die aus der Stadt ausschwärmten, um nach den Flüchtlingen zu fahnden.
    „Wahrscheinlich wollen sie die Ansteckungsgefahr dadurch vermindern, daß sie unsere Leichen verbrennen“, erklärte das Mädchen mit erschütternder Sachlichkeit. „Sie töten uns, um nicht warten zu müssen. Das kam uns so scheußlich vor, daß wir den Entschluß faßten, unser Recht auf einen natürlichen Tod zu verteidigen. Nur aus diesem Grunde habe ich auf Sie geschossen. Wie ich jetzt weiß, war das falsch, aber …“
    Sie stockte in hilfloser Verlegenheit. Calhoun nickte ihr ermunternd zu, da gab sie sich einen Ruck und berichtete weiter.
    Das Leben der Flüchtlinge hatte demnach jetzt nur noch ein einziges Ziel: zu verhindern, daß einer von ihnen den Meuchelmördern in die Hände fiel. Erschöpft versammelten sie sich bei Einbruch der Dunkelheit. Wer noch einigermaßen bei Kräften war, half dann den anderen, so gut er konnte. Tagsüber verstreuten sich die Gehfähigen einzeln auf getrennte Verstecke. Sie wollten auf eine menschenwürdige Weise sterben und nicht wie tollwütige Hunde erschlagen werden.

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