TS 50: Die Roboter und wir
schwebende Messer wahrnahmen, machte der Roboter keine Anstalten zur Flucht. Statt dessen kreuzte er die Arme über der Brust und richtete seinen Blick starr ins Leere.
Der UN-Mann nickte abermals.
Wieder legte der Techniker einen Hebel um, und das blanke Messer sauste herab. Es teilte den. Kopf des Roboters glatt vom Rumpf ab. Er fiel in das bereitstehende Säurebad. Der Kran hob den restlichen Metallkörper an und ließ ihn dann durch eine Bodenöffnung in das darunterliegende Bleigewölbe fallen. Die Geigerzähler verstummten.
Ferguson versuchte vergeblich, einen Schauder zu unterdrücken. Er haßte diese Szene, denn sie erinnerte ihn zu sehr an eine Hinrichtung.
Der Roboter hatte seine Arme gekreuzt und war gestorben. Im Säurebad löste sich das Gehirn in seine molekularen Bestandteile auf und starb ebenfalls. Es war zweifellos Leben gewesen, das man vernichtete, aber es hatte den Tod mit stoischer Ruhe akzeptiert. Doch Ferguson erinnerte sich der gekreuzten Arme und stellte eine entsprechende Frage.
„Das hat noch niemand von ihnen getan“, antwortete der Techniker und bestätigte damit Fergusons Vermutung.
Der UN-Mann kritzelte einen Vermerk in sein Notizbuch.
„Und wenn schon! Es hat nichts zu bedeuten.“
„Ich weiß nicht recht“, murmelte Ferguson. Er fühlte sich irritiert und ein ganz klein wenig beunruhigt. Hatte es wirklich nichts zu bedeuten? Er wußte keine Antwort. „Sie haben es bisher niemals getan.“
Der UN-Mann zuckte die Schultern. Er war hier, um die vernichteten Roboter zu zählen, und nicht, um sich über ihr Verhalten während der Exekution Gedanken zu machen. Er hatte es eilig, diese verseuchte Kammer zu verlassen und die schwere Bleipanzerung abzulegen. Es gab nichts Unangenehmeres, als in diesem Werk zu weilen.
„Der Nächste“, knurrte er ungehalten.
Der Tisch fuhr in die Öffnung zurück, man hörte die Geräusche, aus denen hervorging, daß gehorsame Roboter einen anderen, zum Tode verurteilten Gefährten auf die Bahre legten, dann kam er wieder zum Vorschein. Erneut ratterten die Geigerzähler ihr unheimliches, drohendes Lied. Der Roboter lag ruhig, die Arme über der Brust gekreuzt. In der rechten Hand hielt er ein sternförmiges Objekt. Das Messer sauste herab, und der Kopf fiel in die Säure. Bevor der Kran den Rumpf davontrug, war Ferguson herbeigeeilt. Er betrachtete verwundert den kleinen Plastikstern in der Hand des toten Roboters.
„Sehen Sie sich das an!“ flüsterte er.
Die Techniker und der UN-Mann sahen es sich an.
„Plastik, zu einem Stern geformt“, stellte der eine Techniker fest. „Merkwürdig, nicht wahr? Aber es ist ebenfalls heiß und muß ins Bleigewölbe.“
„Sie haben ihre eigenen Sterberiten entwickelt“, sagte Ferguson ungläubig. Dann wandte er sich an den UN-Mann. „Hören Sie, ich glaube, das ist nicht unwichtig.“
„Wieso sollte es wichtig sein?“
„Sie haben sich Gedanken darüber gemacht, was der Tod für sie bedeutet. Mit anderen Worten: sie wehren sich gegen ihren Tod. Denn einem anderen Zweck dienen auch die uns bekannten Bräuche nicht; wir wollen damit das Ende von uns fernhalten!“
Seine Stimme brach plötzlich ab. Es war natürlich Unsinn, was er da redete. Mit Wissenschaft hatte das nichts zu tun. Wenn man ein derartiges Thema anschlug, erntete man meistens nur ein mitleidiges Lächeln.
Genau das war auch jetzt der Fall. Der UN-Mann nickte in Richtung des Säurebades.
„Ihre Riten haben ihnen nicht viel geholfen. Der Nächste!“
Ferguson ärgerte sich über das verächtliche Grinsen des Regierungsbeamten.
„Sie verknöcherter, dickköpfiger …“
Er brach ab. Es war sinnlos, einen Repräsentanten der UN zu beschimpfen. Auf der anderen Seite besaß er genügend Erfahrung in psychologischen Dingen, um ganz genau zu wissen, daß dieser Wutausbruch nichts anderes war als das gewaltsam unterdrückte Gefühl heranschleichender Angst.
„Verzeihen Sie, es tut mir leid …“
„Schon gut. Wenn Sie meinen, daß es wichtig sei, werde ich darüber Bericht erstatten“, sagte der UN-Mann gleichgültig. „Der Nächste!“
Obwohl Ferguson die Augen offenhielt, sah er nicht mehr viel von den weiteren Ereignissen. Alles in ihm befand sich in einem Aufruhr, dessen er kaum Herr zu werden vermochte. Nicht, daß er an Zauberei glaubte, aber auch in ihm war die jedem Menschen angeborene Furcht vor mystischen und unerklärlichen Geschehnissen. Der Anblick eines Roboters, der in seinen Händen ein Sternensymbol
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