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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Kuttner
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Männer, denen er begegnete, trugen Bärte. Ihre Kleidung wies einen lockeren Zuschnitt auf, den er nicht gewohnt war. Die Einzelheiten, die sein Auge wahrnahm, verrieten ihm, daß der Lauf vieler Jahre das Gesamtbild beeinflußt haben mußte.
    Langsam schlug das Gleitband einen Bogen, und eine Ecke des Fernsehschirms tauchte auf. Kaum irgend jemand schenkte der flimmernden Nachrichtensendung einen Blick. Sams Erinnerungen stammten aus einer Zeit, in der die Leute drängelten und sich die Hälse verrenkten, um möglichst viele Neuigkeiten zu erkennen, ehe das Band sie an dem Schirm vorübergetragen hatte. Mit den grellfarbigen Moden war die Gleichgültigkeit eingezogen. Als einziger wandte Sam Reed den Kopf nach der großen Fernsehanlage.
    Und er sah, daß vierzig Jahre verstrichen waren, seit der Traumstaub ihm das Bewußtsein geraubt hatte.

 
16.
     
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag und ließ ihn taumeln. Er war unsterblich! Mit blendender Klarheit sah er alle Möglichkeiten, alle Gefahren, alle Herrlichkeiten, die in Reichweite vor ihm lagen. Dann wich das Hochgefühl und machte der Furcht vor der Verantwortung Platz, die seine Langlebigkeit ihm auflud. Einen Augenblick lang befielen ihn von neuem Zweifel an der Wirklichkeit der unvorstellbaren Gabe, die ihm nach seinem Erwachen in den Schoß gefallen war. Hastig ließ er in Gedanken alle Gifte an sich vorüberziehen, die er kannte. Doch keines davon konnte eine jahrzehntelange Lähmung aller Körperfunktionen hervorrufen. So unmöglich die Vorstellung der Unsterblichkeit sich ausnahm, sie bildete die einzige Erklärung.
    Mit der Frage, wie er zu dieser Unsterblichkeit gelangt war, konnte er sich später befassen. Jetzt gab es Wichtigeres zu erledigen. Immer noch glaubte er den süßlichen Duft des Traumstaubs zu riechen. Seine Kehle fühlte sich wie ausgedörrt an. Ein unheilverkündender Durst begann ihn zu peinigen, der sich mit keiner Flüssigkeit stillen ließ.
    Traumstaub machte süchtig. Eine Möglichkeit, den Befallenen zu entwöhnen, gab es nicht, weil die Wirkung des Giftes nie wieder nachließ. Auf die Betäubung folgte kein Erwachen, das zu einer Entwöhnungskur benutzt werden konnte. Der Körper brauchte ein halbes Leben, um Abwehrstoffe zu entwickeln. Oft mutierte das Virus danach so schnell, daß der Kranke nicht lange bei Bewußtsein blieb. Er versank in neue Träume und starb zuletzt.
    Vorübergehende Panik bemächtigte sich Sams. Wie lange würde der Zustand der Vernunft noch bei ihm anhalten? Wie lange hatte er schon gedauert? Mußte er jeden Augenblick damit rechnen, daß der Traumstaub wieder die Oberhand gewann und ihn nicht mehr aus seinen Krallen ließ? Seine Unsterblichkeit nutzte ihm nichts, wenn ihn der Staub zu jahrhundertelangem Dahindämmern verdammte.
    Er mußte sich in Behandlung begeben. Die Gier, die ihn peinigte, nahm noch zu. Sie mischte sich mit einem Hunger, wie ihn der Durchschnittsmensch niemals verspürte. Die Behandlung kostete Geld, allerwenigstem einige tausend Koriumkredite. Über dieses Geld verfügte er nicht.
    Wenn seiner Unsterblichkeit die Bedeutung innewohnte, die er ihr beimaß, war er steinreich. Doch der Reichtum dieser endlosen Jahre konnte zu einem Nichts zusammenschrumpfen, weil die materiellen Voraussetzungen dafür fehlten. Einige wenige fehlende Stunden drohten ihn um alle Jahrhunderte der Zukunft zu bringen, die ihm gehörten.
    Er durfte der Angst nicht nachgeben, die ihn beschleichen wollte. Er verdrängte sie aus seinen Gedanken und zwang sich in ruhigem Überlegen. Als erstes mußte er seiner Staubsucht entgegentreten.
    Er brauchte Geld. Aber er besaß nichts. Außer seiner Unsterblichkeit.
    Noch wußte er nicht, wie er am besten Gebrauch davon machen konnte. Er entschied sich, sie vorerst geheimzuhalten.
    Aber wie?
    Indem er sich verkleidete.
    Als wer?
    Natürlich als er selbst. Als Sam Reed, aber nicht als Unsterblicher, sondern als Achtzigjähriger. Um zu Geld zu kommen, mußte er in seine alten Schlupfwinkel zurückkehren und zu seinen ältesten Fertigkeiten Zuflucht nehmen. Wenn er sein Geheimnis dort verriet, warf er es weg. Später konnte es ihm noch von Nutzen sein.
    Vorher aber brauchte er Geld und Wissen.
    Dieses Wissen ließ sich schneller und sicherer verschaffen. Er mußte in Erfahrung bringen, was sich in den zurückliegenden vier Jahrzehnten ereignet hatte, wann und unter welchen Umständen das Interesse der Öffentlichkeit an ihm erlahmt war. Zudem erhob sich die Frage, wo und

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