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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Kuttner
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stieß er hervor. „Besteht die Siedlung schon?“
    Der Mann schlug seine Hand beiseite.
    „Welche Siedlung?“ fragte er ungeduldig.
    „Die Niederlassung an Land.“
    „Ach, die.“ Der Mann lachte. „Sie hinken den Ereignissen hinterher, mein Lieber.“ Offenbar hielt er Sam für betrunken. „Die Niederlassung besteht schon lange.“
    „Seit wann?“
    „Seit vierzig Jahren.“
     
    Sam klammerte sich an einen Warenautomaten, der in der Einmündung der Gasse stand. Seine Knie gaben nach. Er blickte in einen staubbedeckten Spiegel und in seine eigenen Augen. Das unveränderte, nicht im geringsten gealterte Gesicht Sam Reeds starrte ihm ohne Runzeln und Falten entgegen.
    „Vierzig Jahre!“ murmelte er.
    In einer trägen, absinkenden Spirale drehte sich die Stadt an ihm vorüber. Sam Reed schaute ihr mit leeren Augen zu. Sein Gehirn weigerte sich, das Unerhörte zu begreifen. Seine Gedanken liefen im Kreis. Wieviel Zeit seit dem Augenblick vergangen war, in dem er sein jung gebliebenes Gesicht angestarrt hatte, wußte er nicht. Er erinnerte sich nicht, die Gasse verlassen zu haben. Doch unter seinen zerrissenen Sohlen vibrierte das Gleitband, und Straße um Straße tauchte auf, während das Band abwärtsglitt. Aber kein vertrautes Gesicht half ihm, seine wirbelnden Gedanken zu ordnen und wieder zu sich selbst zu finden.
    „Ich brauche eine Spritze“, dachte er, und selbst diese Überlegung formte sich mühsam, als wäre sein Gehirn in den vierzig Jahren eingerostet, die er ohne Bewußtsein durchlebt hatte.
    Sam wühlte in seinen zerfetzten Taschen. Sie waren leer. Er besaß nichts. Kein Geld, keine Erinnerungen, keine Vergangenheit.
    „Nichts“, wiederholte er laut. „Nichts?“ Erst jetzt dämmerte ihm die Bedeutung des Anblicks, den ihm der Spiegel gezeigt hatte.
    „Was heißt nichts? Ich bin unsterblich!“
    Doch das war unmöglich. Der Traumstaub gaukelte ihm ein Trugbild vor. Er kniff sich in die Wange. Dann fuhr er mit der Hand über Gesicht und Nacken. Seine Haut fühlte sich glatt und faltenlos an. Er träumte nicht.
    Der Mann, dem er begegnet war, mußte ihn belogen haben. Nie und nimmer waren vierzig Jahre bis zu seinem Erwachen vergangen. Sam versuchte, sich das Zusammentreffen ins Gedächtnis zurückzurufen. Ihm schien jetzt, als hätte der Mann ihn eingehend und mit mehr als flüchtigem Interesse gemustert. Er hatte ihn für einen Passanten gehalten, aber nachträglich kam es ihm vor, als hätte der Mann dort gestanden und ihn beobachtet, um sich ihm zu nähern oder sich zu entfernen, falls Sams Argwohn erwachte.
    Vergeblich strengte er sich an, um sich das Gesicht des Mannes zu vergegenwärtigen. Nur ein verschwommener Schatten tauchte vor seinem inneren Auge auf, der ihn angesehen und mit ihm gesprochen hatte. Irgendein Grund, der im Zusammenhang mit Sam stand, mußte den Mann in die Gasse geführt haben.
    „Vierzig Jahre“, murmelte Sam Reed. „Das läßt sich nachprüfen.“
    Das Bild der Stadt hatte sich nicht gewandelt. Aber das wollte wenig heißen. Die Kuppeln veränderten ihr Aussehen niemals. In weiter Ferne erhob sich die riesige Kugel der toten Erde über die Gebäude. Daran konnte er sich orientieren. Er wußte wieder, durch welche Viertel er glitt, wo seine bevorzugten Schlupfwinkel lagen; und wo der Turm mit der verschwenderischen Wohnung stand, in deren Räumen ein blauäugiges Mädchen ihm Giftstaub ins Gesicht geblasen hatte.
    Er sah wieder Kedres Gesicht auf dem Bildschirm, gewahrte die Tränen in ihren Augen und die gebieterische Bewegung, die ihn ins Verderben gestürzt hatte. Kedre und Rosathe – mit beiden mußte er abrechnen, wenn sie auch nicht die eigentlich Schuldigen waren.
    Hinter ihnen stand Zacharias Harker, von dem der Befehl stammte, ihn auszuschalten. Mit Kedre zusammen würde er dafür büßen; und Rosathe – Sams Finger krümmten sich bei dem Gedanken an sie. Ihr hatte er vertraut, und sie hatte ihn hintergangen. Sie mußte sterben.
    Wenn aber vierzig Jahre vergangen waren, dann mochte die Zeit ihm die Arbeit abgenommen haben. Zuerst mußte er feststellen, wann er erwacht war. Das Gleitband rollte auf einen der großen öffentlichen Fernsehschirme zu. Wenn er in Sicht kam, konnte Sam sich vergewissern, welches Datum man inzwischen schrieb.
    Doch schon jetzt zweifelte er nicht mehr an dem Ergebnis. Die verrinnende Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Die Stadt mochte sich nicht verändert haben, aber die Menschen hatten sich gewandelt. Mehrere

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