TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
wie er die vierzig Jahre seiner Betäubung verbracht hatte.
Er wechselte auf ein anderes Gleitband über und ließ sich zur nächsten Bibliothek tragen. Unterwegs dachte er über seine finanzielle Lage nach. Als Rosathe ihm den Traumstaub ins Gesicht blies, war er reich. Den größten Teil seines Vermögens hatte er an vier verschiedenen Orten verborgen. Es stand zu erwarten, daß wenigstens ein Versteck den Nachforschungen entgangen war, die nach seiner Vergiftung mit Sicherheit eingesetzt hatten.
Ob er sich die Gelder unter einem falschen Namen aneignen konnte, blieb abzuwarten. Nachdem er sich vierzig Jahre lang nicht darum gekümmert hatte, kam es auf einige Stunden mehr oder weniger auch nicht an.
Er hatte nicht einmal die paar Pfennige in der Tasche, um sich in der Bibliothek ein Lesezimmer zu mieten. Er setzte sich an einen der langen Tische, beugte sich vor und verbarg sein Gesicht zwischen den beiden Scheiben, die als Schalldämpfer dienten. Dann schaltete er das Tonbildgerät ein und wartete.
17.
Eine vierzig Jahre alte Nachrichtensendung flimmerte über den Tischschirm. Sie berichtete über die letzten sieben Tage, an die er sich erinnern konnte. Die Sendung lieferte ihm den einzigen Anhaltspunkt in einer Welt, die Sam Reed ansonsten fremd war. Außerhalb der Bibliothek lief er mit jedem Schritt Gefahr, sich zu verraten. Die Kleinigkeiten des Alltags – Mode, Umgangssprache, gesellschaftliche Formen – wandelten sich am schnellsten. Der geringste Schnitzer, den er sich darin leistete, mußte unweigerlich auffallen.
Die Vergangenheit, die sich auf dem Filmstreifen entrollte, stand Sam noch so lebendig vor Augen, daß er fast den Traumstaub zu riechen glaubte, der ihm ins Gesicht wehte. Sein quälender Durst meldete sich bei der Erinnerung, und siedendheiß fiel ihm ein, daß er keine Zeit verlieren durfte. Er drückte die Kontrolltaste eine Stufe tiefer und ließ den Film schneller ablaufen.
SAM REED NIMMT TRAUMSTAUB! Die dünne Stimme aus der Vergangenheit schrillte geisterhaft an sein Ohr, während die plastischen Bilder rasch vorüberhuschten:
„Sam Reed, der Förderer des Haleschen Siedlungsprojektes, schied heute durch Traumstaubvergiftung aus seiner Stellung. Seine Bekannten sagten übereinstimmend aus, daß nichts in seinem Verhalten auf diesen Entschluß hingedeutet hätte. Reed wurde nach seiner Selbstvergiftung dabei beobachtet, wie er ziellos durch die Stadt irrte …“
Ein Dutzend verläßlicher Zeugen hatte Sam in seinem Dämmerzustand gesehen. Dann verschwand er. Nachforschungen wurden eingeleitet, und ein Betrug von Riesenausmaßen begann sich abzuzeichnen. Vier Tage nach Sams scheinbarem Selbstmord platzte die Bombe.
Robin Hale wußte wenig zu seiner Rechtfertigung anzuführen. Was sollte er auch sagen? Die Tatsache, daß das Stammkapital zu dreihundert Prozent in Aktien umgesetzt worden war, redete ihre eigene Sprache. Deutlicher als alle Worte erhellte sie, daß die Gründer der Gesellschaft niemals an den Erfolg ihres Unternehmens geglaubt hatten.
Hale tat das einzige, was ihm übrigblieb. Er versuchte, dem Sturm zu trotzen, wie er in seinem langen Leben so vielen Orkanen getrotzt hatte, die über die Menschheit und über die Dschungel hinweggebraust waren. Aber diesmal schlugen die Wogen der Erregung zu hoch. Zu viele Leute hatten an die Besiedlung der Venus geglaubt.
Von Hales Vorhaben blieb nicht viel übrig.
Sam Reeds Name wurde mit Schimpf und Schande überhäuft. Er war nicht nur ein Betrüger, sondern er hatte sich auch der Gerechtigkeit entzogen und sich in die selbstmörderische Vergiftung mit Traumstaub geflüchtet. Niemand schien sich die Frage vorzulegen, warum er diesen Schritt unternommen hatte, der doch jeder Vernunft Hohn sprach.
Wenn das Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt war, brauchte Sam Reed nur im Verborgenen zu warten, bis er seine dreihundert Prozent kassieren konnte. Eher ging aus seinem Selbstmord schon hervor, daß er fürchtete, die Eroberung der Dschungel könnte wider Erwarten doch gelingen. Aber daran dachte niemand. Die öffentliche Meinung stimmte darin überein, daß er aus Angst vor seiner Entlarvung den kürzesten Ausweg gewählt hatte.
Die Nachforschungen deckten seine Vergangenheit auf. Man fand das Geld, das er nicht sorgfältig genug verborgen hatte, um es vor den vervollkommneten Methoden der Kuppeln zu schützen. Sämtliche vier Verstecke wurden aufgespürt.
Sam lehnte sich zurück und rieb sich die
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