TS 55: Die Wespe
noch die Pistole.
*
Am letzten Tag seiner Wanderschaft erreichte James Mowry die Hauptstraße nach Radine. Er folgte ihr in einiger Entfernung durch den Wald und näherte sich immer mehr der Stadt.
Um genau elf Uhr blitzte am Horizont ein greller Schein auf. Der Boden zu seinen Füßen erzitterte, und ein heftiger Luftstoß fegte über ihn hinweg. Ein wenig später kam das Grollen einer fernen Detonation. Der Verkehr auf der Straße ließ rapide nach, und bald war kein Fahrzeug mehr zu sehen. Dort, wo Radine lag, schossen tausend Feuerflammen in den Himmel. Ein riesiger, schwarzer Schatten glitt über den Wald hinweg und verdeckte für einen Augenblick die Sterne.
Mowry lief hinaus auf die Straße und starrte hinauf in den Himmel. Die Sterne erlöschen, als die Invasionsflotte von Terra mit viertausend Schiffen auf Jaimec niederging.
Auf der Straße aber begann Mowry wie ein Verrückter zu tanzen. Er rief unsinnige Worte in den Himmel, er schrie, lachte und weinte. Er winkte mit den Armen und warf sein Geld in die Luft.
Im Halbdunkel sah er, wie aus den Schiffen schwere Panzerfahrzeuge auf Jaimec herabsanken, von Antigravstrahlen gehalten.
Mit klopfendem Herzen lief er die Straße entlang und rannte einer Gruppe von vierzig Männern in die Arme. Sie trugen grüne Uniformen und hielten schillernde Strahlpistolen in ihren Händen. Mit harten Griffen packten sie ihn.
„Immer mit der Ruhe, Krummbein“, rief eine menschliche Stimme.
Mowry holte tief Luft. Er nahm das Schimpfwort nicht übel, denn alle Terraner bezeichneten die Sirianer als Krummbeiner.
„Mein Name ist James Mowry. Ich bin Terraner.“
Einer der Männer, ein hagerer Sergeant, sagte:
„Und ich bin Napoleon. Los, Rogan, bring ihn in den Käfig!“
„Aber ich bin Terraner!“ flehte Mowry.
„Ja, so siehst du auch aus“, sagte der Sergeant.
„Ich spreche Terranisch!“
„Na und? Hunderttausend Krummbeiner können das.“ Er winkte mit seiner Pistole. „In den Käfig mit ihm, Rogan!“
Zwölf Tage war Mowry im Kriegsgefangenenlager.
Mindestens ein dutzendmal versuchte Mowry, die Aufmerksamkeit eines Wachpostens auf sich zu lenken, wenn gerade kein Sirianer in der Nähe war.
„Psst! Ich heiße Mowry, und ich bin Terraner.“
Sein Versuch wurde stets ignoriert. Entweder reagierten die Posten überhaupt nicht, oder sie gaben dumme Antworten.
„Ach, wirklich?“
Oder:
„Du siehst genauso aus!“
Und dann geschah es eines Tages, daß alle Gefangenen sich in langen Reihen aufstellen mußten und ein Captain mit Hilfe einer Verstärkeranlage bekanntgab:
„Wenn hier jemand James Mowry heißt, soll er vortreten!“
Mowry lief nach vorn. Die Gewohnheit gab ihm krumme Beine und selbst, als er stramm zu stehen versuchte, wirkte es nicht überzeugend.
„Ich bin James Mowry!“
Der Captain erwiderte wütend:
„Warum haben Sie sich nicht früher gemeldet? Wir haben den ganzen Planeten nach Ihnen abgesucht. Glauben Sie, wir hätten nichts Besseres zu tun? Ihnen hat es wohl die Sprache verschlagen?“
„Ich …“
„Ruhe! Der Geheimdienst verlangt nach Ihnen. Folgen Sie mir.“
Er ging voran und führte Mowry aus dem Lager zu einer Baracke.
„Captain, ich habe immer und immer wieder versucht, mit den Wachposten Verbindung aufzunehmen.“
„Gefangene dürfen nicht mit den Posten reden“, klärte der Offizier ihn auf.
„Aber ich war doch kein Gefangener.“
„Warum, zum Donnerwetter, sind Sie dann im Lager?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß er ihn durch eine offene Tür und stellte ihn vor: „Hier ist er.“
Der Offizier des Geheimdienstes saß hinter einem Tisch und sah von einem Stapel Akten hoch.
„Sie also sind Mowry, James Mowry?“
„Ganz richtig, Sir.“
„Wir hatten Verbindung mit dem Hauptquartier aufgenommen und wissen alles über Sie.“
„Wirklich?“ freute sich Mowry. Er begann zu ahnen, daß er es nun endlich geschafft hatte.
„So ein Bursche wie Sie war auch auf Artishain, dem zehnten Planeten des Sirius“, fuhr der Offizier fort. „Er hieß Kingsley. Das Hauptquartier behauptet, daß er schon seit längerer Zeit nichts mehr von sich hören ließ. Sieht also ganz so aus, als hätten sie ihn geschnappt.“
Mit banger Ahnung fragte Mowry:
„Was habe ich damit zu tun?“
„Sie werden seine Arbeit fortsetzen. Morgen bringen wir Sie nach Artishain.“
„Was? Morgen?“
„Natürlich. Wir möchten, daß Sie eine Wespe werden. Ist doch alles in Ordnung mit Ihnen,
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