TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green
den Grund. Der Junge war blind.
Green kroch weiter zu der Hütte und untersuchte die Rückwand. Sie bestand aus dicken Pfosten, die man in den Boden getrieben und mit Tauen aus der Takelage eines Rollers verbunden hatte. Eine Menge Spalten erlaubte einen Blick ins Innere, doch es war zu dunkel, als daß er mehr zu erkennen vermochte als nur ein paar vage Umrisse.
Er hielt die Lippen an eine der Öffnungen und rief flüsternd: „Amra!“
Er hörte einen erstickten Ausruf. Ein kleines Mädchen begann zu schreien, wurde aber schnell wieder zur Ruhe gebracht.
„Alan! Das ist doch nicht möglich! Bist du es?“ antwortete Amra freudig.
„Ganz bestimmt ist es nicht mein Geist. Komm her, ich will dir erklären, was wir jetzt machen werden. Hör gut zu und wiederhole es anschließend, damit ich weiß, daß du alles verstanden hast.“
Sie brauchte es nur einmal zu hören, um es wortgetreu wiederzugeben.
Er nickte. „Gutes Mädchen. Also, ich gehe jetzt.“
„Alan!“
„Ja, was ist?“ fragte er ungeduldig.
„Wenn es schiefgeht, oder dir etwas zustoßen sollte, oder mir … denke daran, daß ich dich liebe.“
Er seufzte.
„Ich liebe dich auch. Aber wichtiger ist momentan, daß ich euch befreie.“
Ehe sie antworten konnte, schob er sich davon und kroch auf allen vieren bis zur vorderen Ecke der Hütte. Hier blieb er liegen und wartete eine Weile, um Amra Gelegenheit zu geben, ihre Mitgefangenen von seinem Vorhaben zu unterrichten. Schließlich, nachdem ungefähr fünf Minuten verstrichen waren, richtete er sich auf und trat mit vorgestrecktem Speer rasch um die Ecke.
Der Posten tat gerade einen tiefen Schluck aus einer Schale. Green handelte schnell. Der Mann fiel vornüber, und die Schale entglitt seinen Händen.
Green fuhr herum, bereit, sich auf jeden zu stürzen, der Anstalten machte, zu entfliehen. Doch die alten Frauen hatten nichts bemerkt. Sie knieten um ein Brett, auf dem sie einen Teig kneteten und schnatterten dabei laut und angeregt. Der blinde Junge hockte noch immer über seiner Trommel und starrte mit blicklosen Augen ins Feuer. Nur einer hatte Green gesehen, ein kleiner Knirps von vielleicht drei Jahren. Er hatte den Daumen im Mund vergraben und starrte mit großen runden Augen zu dem Fremden herüber. Aber er war entweder zu erschrocken, um einen Laut hervorzubringen, oder begriff noch nicht, was vor sich ging.
Green legte den Finger auf die Lippen, wandte sich dann zurück zum Haus und hob den Balken, der die Tür versperrte. Amra stürzte heraus und nahm den Speer des Postens von ihrem Mann entgegen. Das Messer des Toten wanderte zu Inzax, und Greens eigenes Messer zu Aga, einer großen, muskulösen Frau, die die Deckarbeiterinnen befehligt hatte.
Im gleichen Augenblick brach das Schnattern der Weiber ab. Green fuhr herum, und Schreie zerrissen die Stille. Hastig versuchten die Weiber, sich von ihren steifen Knien zu erheben und davonzustürzen. DochGreen und die Frauen waren über ihnen, bevor sie mehr als einige Schritte zurückgelegt hatten.
Sie trieben die Weiber und die Kinder zusammen und sperrten sie in der Blockhütte ein, die wenige Minuten vorher noch Amra und die anderen Gefangenen beherbergt hatte.
Dann wies Green mehrere Frauen an. sich in einem der Wohnhäuser mit so viel Proviant und Waffen zu beladen, wie sie tragen konnten, und wenige Minuten später war die kleine Schar abmarschbereit.
„Wir nehmen den Weg, der von dem Wrack wegführt“, erklärte er. „Hoffen wir, daß wir auf diese Weise die andere Seite der Insel erreichen und dort ein paar kleinere Roller finden, mit denen wir fliehen können. Ich nehme doch an, diese Wilden werden irgendeine Art Fahrzeuge haben.“
Der Pfad erwies sich als nicht minder schmal und gewunden als der erste, auf dem sie das Dorf erreicht hatten. Er verlief im großen und ganzen nach Osten, während die Wilden sich am Westrand der Insel aufhielten.
Ihr Wegführte zunächst ein paar kleine Anhöhen hinauf. Mehrfach mußten sie kleine Teiche, Auffangbecken für das Regenwasser, umgehen. Green schätzte, daß die Insel ungefähr vier Quadratkilometer umfaßte, wenn er annahm, daß das Dorf in ihrer Mitte lag, und somit eigentlich groß genug war, um einem Flüchtling sicheres Versteck zu bieten.
Einem, nicht aber sechs Frauen und acht Kindern.
17.
Unter Keuchen und Schnaufen, gemurmelten Aufmunterungen und gelegentlichen Flüchen erreichten sie endlich den Kamm des nächsten und anscheinend höchsten Hügels der
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