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TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green

TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green

Titel: TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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schöpfen zu können. Doch nein. Noch während er sich sagte, daß das Schlimmste vielleicht schon überstanden war, setzte das Reißen und Mahlen von neuem ein. Die Insel aus Fels und Stein schob sich unaufhaltsam vorwärts und zermalmte unter sich den Rumpf des Schiffes, verschlang Räder, Achsen, Ladung, Geschütze und Menschen.
    Eine unsichtbare Faust schien Green von seinem Halt hinwegzureißen und im hohen Bogen durch die Luft zu schleudern. Er streckte die Arme aus, eine letzte abwehrende Geste vor der Vernichtung. Dann plötzlich schienen unzählige Fäuste auf ihn einzuschlagen, und er erkannte, daß er durch Baumzweige stürzte, die seinen Fall milderten. Er versuchte, einen zu packen, sich anzuklammern, glitt ab. stürzte weiter.
    Dann Ohnmacht und Vergessen.
    Er konnte nicht sagen, wie lange er bewußtlos gelegen hatte, aber als er sich endlich wieder aufrichtete, fiel sein Blick durch die Baumstämme hindurch auf den zerschmetterten Rumpf des Glücksvogels, der vielleicht dreißig Meter vor ihm am Fuße des Abhangs lag. auf dem er saß. Nur die eine Hälfte des Schiffes war noch zu sehen: es mußte mitten durchgebrochen sein, und Heck und Mitteldeck waren vermutlich von dem vorrückenden Inselmoloch bereits zerstampft und verschlungen.
    Dumpf kam ihm zu Bewußtsein, daß der Regen aufgehört hatte, der Himmel aufgeklärt war und der große und kleine Mond das Land in ihrem Lichte badeten. Die Sicht war gut – zu gut.
    Noch waren in dem Wrack Menschen am Leben. Männer, Frauen und Kinder, die sich durch das Gewirr von Tauen, Hölzern und aufgerissenen, zersplitterten Planken einen Weg ins Freie suchten. Stöhnen. Schreie und Hilferufe verwandelten die Stätte in ein Chaos.
    Taumelnd richtete er sich auf. Sein Kopf schmerzte, als wolle er zerspringen. Eines seiner Augen war so weit zugeschwollen, daß er damit nicht mehr sehen konnte. In seinem Munde schmeckte er Blut, und seine schmerzende Zunge stieß an mehrere ausgeschlagene Zähne. Jeder Atemzug verursachte ihm heftiges Seitenstechen. Seine Handflächen bluteten, dort wo die Haut abgeschürft war. Sein rechtes Knie schien verstaucht, und seine linke Ferse brannte wie Feuer. Trotzdem zwang er sich auf die Füße. Amra, Paxi und die anderen Kinder mußten noch dort sein, wenn sie nicht schon tot waren. Jedenfalls mußte er nachsehen. Selbst wenn er ihnen nicht mehr helfen konnte, so gab es noch andere, die seine Hilfe brauchten.
    Er humpelte los. Plötzlich sah er vor sich einen Mann hinter einem Busch hervortreten. Green wollte ihn schon anrufen, weil er glaubte, es mit einem Schiffskameraden zu tun zu haben, doch irgend etwas an der Erscheinung des anderen ließ ihn zögern. Er schaute genauer hin. Ja. derBursche trug einen Kopfputz aus Federn und hielt einen langen Speer in der Hand. Und dort, wo das durch die Zweige fallende Mondlicht auf eine nackte Schulter traf, glänzte es rot, weiß, blau und grün. Der Mann war am ganzen Körper mit bunten Farbstreifen bemalt.
    Langsam ließ sich Green hinter einem Strauch auf die Hände und Knie sinken. Erst jetzt bemerkte er noch weitere hinter den Bäumen lauernde Gestalten, die das Wrack beobachteten. Schließlich verließen sie das schützende Dunkel, und kurz darauf standen wenigstens fünfzig von ihnen, alle in Kriegsbemalung und Federschmuck, vor dem Waldrand versammelt und starrten schweigend zu dem Wrack und den wenigen Überlebenden hinüber.
    Einer von ihnen hob seine Lanze und ließ einen gellenden Kriegsruf hören. Die anderen ahmten ihn nach, und dann rannten sie alle auf das Wrack zu.
    Green konnte nicht anders, er mußte die Augen schließen.
    „Nein, nein!“ stöhnte er. „Sogar die Kinder!“
    Als er sich zwang, wieder hinzublicken, stellte er zu seiner Erleichterung fest, daß er sich geirrt hatte. Nicht alle hatten die Speere der Wilden getötet. Die jüngeren Frauen und Mädchen blieben verschont. Wer von diesen gehen konnte, wurde zusammengetrieben und bewacht von einem halben Dutzend Kriegern hinweggeführt.
    Green spürte, wie der Druck, der auf seiner Brust gelastet hatte, etwas nachließ. Amra war noch am Leben!
    Sie trug Paxi auf dem Arm und führte an der anderen Hand Soon, ihre Tochter von dem Tempelbildhauer. Obwohl sie bestimmt vor Angst fast vergehen mußte, trat sie den Wilden mit der gleichen stolzen Haltung gegenüber, mit der sie jedermann begegnete. Inzax, ihre Magd, stand hinter ihr.
    Green beschloß, dem kleinen Trupp der Gefangenen in sicherer Entfernung zu folgen.

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