TS 69: Im Kosmos verschollen
Tod, vielleicht Gefangenschaft. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, eine schwache Hoffnung für das Kind. Selbst wilde Tiere nehmen mitunter verlassene Junge ihrer Opfer an und ziehen sie auf. Hunde haben schon Katzen aufgezogen, und auch andere, von Natur aus feindliche Tiere fanden Erbarmen mit den verlassenen Jungen ihrer Feinde.
Die Chance, von den Fremden freundlich aufgenommen zu werden, war nicht sehr groß. Trotzdem mußte ich es versuchen. Das Kind brauchte Nahrung, und das sehr schnell.
*
Was mochten die Fremden wohl geglaubt haben, als sie mich plötzlich in ihr Lager kommen sahen?
Sie sahen einen großen, mageren, fast unbekleideten Mann, der ein kleines, wimmerndes Wesen in den Armen hielt. Als einen Menschen konnten sie mich kaum anerkennen. Wahrscheinlich waren sie auch noch nie einem Menschen begegnet. Sie mußten mich für ein Tier halten, das keine Scheu kannte.
Ich ging auf das Wesen zu, das ich für den Anführer der Gruppe hielt und legte das Kind zu seinen Füßen nieder. Dann trat ich zurück und verschränkte die Arme.
Was würden diese fremdartigen Wesen tun? Würden sie mich und das Kind töten? Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen und machte mir keine Sorgen mehr. Vielleicht gab mir das die nötige Sicherheit, um in dieser Situation keinerlei Furcht zu zeigen.
Einige der Fremden trugen Waffen. Sie richteten diese Waffen auf mich und das Kind, aber sie feuerten nicht. Meine offensichtliche Gleichgültigkeit war mein Panzer, ein Schutz, gegen den die Waffen nicht ankommen konnten. Die Fremden sahen einfach keinen Grund, mich niederzustrecken, um so allen möglichen Komplikationen aus dem Wege zu gehen.
Anscheinend hatte ich den einzigen Weg entdeckt, den zwei verschiedene Rassen gehen können, wenn sie sich unverhofft begegnen. Die vor mir stehenden Wesen wollten anscheinend aufbrechen und zu ihrem Heimatplaneten zurückkehren. Mein Auftauchen hatte sie allesamt aus der Fassung gebracht. Sie standen da und starrten mich unsicher an.
Der Mann, den ich für den Führer der Gruppe hielt, drehte sich um und sprach mit einem weiblichen Wesen, wahrscheinlich der Ärztin oder Biologin der Expedition. Ich bezeichnete diese Wesen als Menschen, obwohl sie absolut keine menschliche Gestalt hatten. Nur ihr Gebaren und ihre Technik waren menschenähnlich, nicht aber ihr Aussehen.
Die Ärztin trat vor und beugte sich über das Kind. Ich sah, wie sie mit dünnen, grünen Gliedern das winzige Wesen betastete. Sie glich mehr einem gigantischen Insekt als einem Menschen, aber sie benahm sich genauso, wie ein Arzt auf der Erde sich in einer solchen Situation verhalten würde.
Ich wußte plötzlich, daß ich das Richtige getan hatte. Wenn dieses Wesen wirklich etwas von Biologie verstand, würde es versuchen, das Leben des Kindes zu erhalten. Immerhin waren wir beide, das Kind und ich, für diese Wesen Repräsentanten einer völlig neuartigen Lebensform. Sicher waren sie daran interessiert, sich eingehender mit uns zu beschäftigen.
17.
Ich hockte mich auf den Boden und stützte den Kopf in die Hände. Der Schlaf überkam mich in Wellen und wollte mich ins Vergessen reißen. Ich durfte aber nicht schlafen, denn ich mußte sehen, was die Fremden taten.
Drei von ihnen standen dicht vor mir und schnatterten in einer unverständlichen Sprache miteinander. Einer stieß mich in die Seite, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ein anderer wies ihn mit scharfen Worten zurecht und zog mich sanft hoch.
Ich gehorchte. Was sollte ich auch tun? Es hatte keinen Sinn, Widerstand zu leisten.
Zwei meiner Bewacher richteten ihre Waffen auf mich, ohne mich auch nur im geringsten zu beeindrucken. Mir war alles so gleichgültig, daß ich beinahe über diese übertriebene Vorsicht gelacht hätte. Ich ließ mich willig zu dem Raumschiff führen. Ich war so müde, daß mich das fremde Raumschiff kaum interessierte. Ich war aber froh, daß ich nun wieder in Eves Nähe sein konnte, denn das Kind, dem ich den Namen meiner toten Schicksalsgefährtin gegeben hatte, war ebenfalls in das Schiff gebracht worden. Vielleicht würde ich feststellen können, ob es noch lebte.
Sie führten mich durch einige Korridore in eine durch Gitterstäbe abgeteilte Zelle. Allem Anschein nach war es ein Käfig, denn auf dem gleichen Gang befanden sich noch weitere Käfige, und ein strenger Geruch lag in der Luft. Wahrscheinlich dienten diese Käfige zum Transport eingefangener wilder Tiere. Mir war das gleichgültig. Ich war
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