TS 69: Im Kosmos verschollen
mich haßerfüllt an, wenn ich ihre Hand ergriff, und sie schrie noch verzweifelter, wenn ich die Hütte verlassen und sie allein lassen wollte.
Ich erinnerte mich an Zeitungsmeldungen von Geburten in Omnibussen und Taxis. Warum mußten wir es so schwer haben?
Vielleicht waren wir beide Opfer der Zivilisation. Wir waren spezialisiert, waren Experten auf einem bestimmten Gebiet, aber die Dinge, die jeder primitive Wilde bewältigen konnte, waren für uns unlösbare Probleme.
Und doch wurde das Kind geboren. Es war schwach und gab kaum ein Lebenszeichen von sich. Eve war so erschöpft, daß sie sofort in einen tiefen Schlaf fiel.
Die aufgehende Sonne sah einen verzweifelten, einsamen Mann auf einem Floß hocken. Wie sollte ich das kleine Mädchen ernähren. Ich haßte die Umgebung, die mir kurz zuvor noch wie ein Paradies erschienen war. Ich haßte auch das Leben, das mit Schmerzen begann und mit Schmerzen endete. Das Kind, auf das ich mich so gefreut hatte, war plötzlich kein Segen mehr, denn es erinnerte mich ständig an die Qualen, die es Eve bereitet hatte.
Ich saß wieder am Ende des Floßes und ließ die Beine ins kühle Wasser baumeln. Ich grübelte und grübelte, dachte unablässig über die Welt und unser Schicksal nach.
Plötzlich schreckte ich auf.
Der Planet, auf den das Schicksal uns verschlagen hatte, glich in seinem Entwicklungsstadium ungefähr dem Karbonzeitalter der Erde. Oberhalb der Wasseroberfläche gab es kein nennenswertes tierisches Leben.
Und doch hatte ich eine Bewegung gesehen!
Oben an den Klippen, über die sich der Fall in die Tiefe stürzte, hatte ich eine aufrechte Gestalt gesehen. Es war nur ein huschender Schatten, aber in meinem Gedächtnis lebte das Bild weiter. Ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu können und starrte aufmerksam nach oben. War ich das Opfer von Halluzinationen geworden? War das die Folge schlafloser Nächte? Ich hoffte es fast, aber im Grunde meines Herzens wußte ich, daß ich mich nicht getäuscht hatte.
Ein Mensch war auf einen Stein gestiegen und hatte Ausschau gehalten. Ein Feind? Waren wir entdeckt worden? Vielleicht lagen die Späher schon in den Büschen und starrten zu uns herüber?
Ich beruhigte mich aber bald. Eine Entdeckung war fast unmöglich. Das Floß lag dicht am Ufer und war von oben kaum zu erkennen. Auch das Feuer brannte niedrig und entwickelte keinen Rauch.
Mein Instinkt befahl mir, an Land zu gehen und das unbekannte Wesen zu beschleichen, aber ich konnte Eve in diesem Zustand unmöglich allein lassen. Ihr Zustand war offensichtlich kritisch. Obwohl ich keinerlei Erfahrungen hatte, konnte ich sehen, daß sie auf der schmalen Grenzlinie zwischen Leben und Tod stand.
Fast eine halbe Stunde starrte ich zu den Klippen hinauf, ohne eine Bewegung zu entdecken. Vielleicht war es doch eine Täuschung gewesen, sagte ich mir. Die Zweifel waren aber stärker. Zu stark lebte die Erinnerung an die auf dem Stein stehende Gestalt in meinem Bewußtsein. Eine derartige Täuschung konnte einfach nicht möglich sein.
Eve war noch immer nicht bei Besinnung. Das Kind begann leise zu wimmern. Konnte ich dem Kind Wasser zu trinken geben, um es so zu beruhigen? Ich wußte es nicht und fluchte über meine Unwissenheit.
Das Kind nahm langsam eine natürliche Farbe an. Das rechte Ohr war ein wenig verletzt, aber der Körper und der Kopf hatten normale Formen. Nach der schwierigen Geburt war es fast ein Wunder, daß das Kind unbeschadet zur Welt gekommen war. Ich begann zu hoffen, daß diese kleine Eva bei richtiger Ernährung lebensfähig sein würde.
Wieder kam eine Nacht. Ich wagte nicht zu schlafen, obwohl ich todmüde war. Sogar das kostbare Feuer löschte ich restlos aus. Wieder starrte ich stundenlang nach oben und glaubte sogar einen schwachen Lichtschimmer zu sehen. Trotzdem war ich nicht ganz davon überzeugt, denn ich wußte, daß ich übermüdet war und wie unzuverlässig die Augen in einem solchen Zustand sein konnten.
Bei Anbruch des neuen Tages schlief Eve noch immer. Ich war besorgt, denn sie schlief zu fest und trotz der vorangegangenen Strapazen viel zu lange. Außerdem war sie auffallend bleich. Selbst das nun lauter werdende Wimmern des Kindes weckte sie nicht aus ihrer totenähnlichen Starre.
Auf der Tonplatte war noch etwas Glut, die ich zu einem Feuer entfachen konnte. Ich kochte etwas Wasser ab, ließ es wieder abkühlen und gab dem Kind davon zu trinken. Es war ein umständliches Verfahren, denn ich mußte ein weiches Blatt
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