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TS 72: Das Erbe von Hiroshima

TS 72: Das Erbe von Hiroshima

Titel: TS 72: Das Erbe von Hiroshima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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sie eine imaginäre Fernkontrolle.
     
    *
     
    Unten im Wohnzimmer schob Onkel Bill gerade ein halbes Brötchen in den Mund, als ihm das Geräusch auffiel. Langsam ließ er die Hand mit dem Brötchen wieder sinken.
    „Nanu? Ich habe gar nicht bemerkt, daß Wind aufgekommen ist. Vielleicht gibt es dann doch keinen Regen.“
    Und er holte nach, was er versäumt hatte. Diesmal verschwand das Brötchen endgültig. Bob Britten nickte.
    „Stört es euch eigentlich nicht, immer nur auf den Wind angewiesen zu sein, wenn ihr Strom benötigt? Also ich weiß nicht, ich könnte mich auf die Dauer nicht daran gewöhnen.“
    „Wir benötigen am Tage praktisch überhaupt keinen Strom“, belehrte ihn Mira. „Und abends – lieber Gott, da tut es im Notfall auch die Petroleumlampe.“ Sie lächelte ihrem Schwager freundlich zu und befaßte sich mit ihrer Kaffeetasse.
    „Mich wundert nur“, stellte Marry fest, „daß Ann mit der Eisenbahn umgehen kann. Tom und Jerry sind doch zum See gegangen. Sie muß also allein oben sein. Hoffentlich kann nichts passieren. Man hört doch so oft …“
    „Keine Sorge, Marry“, beruhigte sie Bill. „Die Spannung ist zu gering, um Schaden verursachen zu können.“
    Eine Weile schwiegen sie, während zu ihren Häuptern das gleichmäßige surrende Geräusch der laufenden Eisenbahn zu hören war.
    Runde für Runde, immer und immer wieder …
    Bis Bob Britten plötzlich zufällig aus dem Fenster hinaus auf den Hof sah, den Generatormast erblickte und seine Augen mechanisch an ihm emporwandern ließ.
    Und dann wurden seine Augen unnatürlich starr.
    „Merkwürdig“, sagte er, zu seinem Schwager gewandt. „Wirklich sehr merkwürdig. Oder hast du noch eine Batterie angeschlossen, die den überflüssigen Strom speichert?“
    „Wie kommst du denn darauf?“ wunderte sich Bill.
    „Weil“, sagte Bob Britten langsam, „draußen nicht der geringste Windhauch weht und das Rad vollkommen unbeweglich ist. Darum!“
    Einige Sekunden herrschte bestürztes Schweigen, nur von dem Surren und gelegentlichen Kreischen der Eisenbahn über ihnen unterbrochen. Dann stieß Bill hervor:
    „Unmöglich!“
    Er beugte sich vor, um aus dem Fenster sehen zu können.
    Das Windrad stand still. Kein Blatt in den nahen Bäumen regte sich. Ein blauer, wolkenloser Himmel wölbte sich einer schützenden Glocke gleich über die erstarrte Welt.
    Bill ließ sich zurückfallen und lauschte nach oben. Dann erhob er sich.
    „Das kann ich mir nicht erklären“, sagte er und ging aus dem Zimmer. Sie hörten ihn die Treppe emporsteigen. Bob stand auf und folgte ihm. Oben im Flur stand Bill neben dem Lichtschalter. Während er auf die dahinsausende Eisenbahn starrte, schaltete er das Licht ein. Die Birne blieb dunkel.
    Weiter schritten sie, bis sie Ann sehen konnten.
    Das Mädchen hatte ihr Kommen nicht sofort bemerkt. Mit Augen, in denen das Glück und die Freude leuchteten, verfolgte es die Lok, auf dem Boden sitzend und die Hände in den Schoß gelegt. Erst das ungläubige Aufstöhnen ihres Onkels brachte Ann in die Gegenwart zurück.
    Sie erschrak, sah dem Onkel und ihrem Vater in die Augen.
    In der gleichen Sekunde jedoch rollte die Bahn aus und hielt an. Niemand hatte etwas berührt.
    Das Schweigen lastete wie etwas Bedrückendes auf den drei Menschen, bis Ann sagte:
    „Ich wollte spielen – und auf einmal lief sie.“
    Sie legte die Mienen der beiden Männer falsch aus und fürchtete, einen Tadel zu erhalten. Aber ihr Vater nickte nur.
    „Schon gut, Ann.“ Und zu seinem Schwager gewandt, setzte er hinzu: „Vielleicht ein Windstoß, den wir nicht bemerkten.“
    Langsam stieg er wieder zum Erdgeschoß hinab. Ann erhob sich zögernd, drückte sich an Onkel Bill vorbei und lief ihm nach.
    „Ihr seid doch nicht böse?“ begann sie zu weinen. „Ich habe doch nichts kaputt gemacht.“
    „Schon gut, mein Kind“, tröstete Bob sie und legte ihr die Hand auf den Haarschopf. „Schon gut. Niemand macht dir einen Vorwurf. Zu schade, daß der Wind wieder nachgelassen hat. Wirklich zu schade …“
    Oben aber starrte Bill mit erneuter Fassungslosigkeit auf den Transformator und die bewegungslose Lokomotive, neben der ein Kabel lag.
    Die Zwillinge hatten es gewohnheitsgemäß aus der Steckdose gezogen. Zwischen Bahn und Stromzufuhr bestand überhaupt nicht die geringste Verbindung.

 
3.
     
    Neun lange Jahre geschah nichts, das dazu angetan wäre, Bob Brittens geheime Befürchtungen zu bestätigen. Seit jenem bis heute

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