TS 72: Das Erbe von Hiroshima
rühren.
Unvorstellbar, nicht wahr? Sehen Sie, eben aus diesem Grunde ist es heute noch unmöglich, da wir nicht einmal geistig in der Lage sind, zu begreifen oder nur zu ahnen. Und doch, Miss Britten und Mister Harnahan, besitzen wir bereits jetzt und heute – ohne es zu wissen – die schlummernden Fähigkeiten der fernsten Zukunft. Wenn wir sie benötigen, werden sie die dünne Schale des Bewußtseins – oder Unterbewußtseins, wie man will – sprengen und gegenwärtig werden.
Diese Schale ist nicht immer gleich stark, Miss Britten. Sie kann sehr dünn sein. Wie bei Ihnen etwa. Der geringste Schock genügt, Ihre Willenskraft stärker als den Schlummerbefehl sein zu lassen. Das Gehirn unterliegt Ihrem Willen. Es gehorcht Ihrem dringenden Wunsch. Oder aber, wie der Autounfall beweist, es versucht, sich zu retten.“
Er schwieg und wartete. Ann leckte sich über die Lippen und sah Lex an. Dann sagte sie:
„Warum kommt es nur so selten vor, daß wir vom Auftreten dieser – künftigen Eigenschaften erfahren?“
Prexler lächelte nachsichtig.
„Weil man sie nicht ernst nimmt, Miss Britten. Wenigstens nimmt die Masse sie nicht ernst. Die Regierung tut es allerdings manchmal, und ich darf Ihnen verraten, daß die entsprechenden Dienststellen der USA bereits drei Telepathen beschäftigen, deren Fähigkeiten allerdings sehr beschränkt sind.“
„Telepathen?“
„Ja, Telepathen! Sie werden ermessen können, welchen Wert sie für gewisse Auftraggeber darstellen. Und vielleicht begreifen Sie nun auch, warum ich an Ihnen so interessiert bin. Diese drei Telepathen – deren Existenz geheim ist – wurden durch mich entdeckt. Mein Institut hat sie getestet und ihre Fähigkeiten nachgewiesen. Allen drei Versuchspersonen gelang es, die Gedanken anderer Personen bis zu einer Entfernung von fünfzig Metern aufzufangen. Das ist nicht viel, aber es ist ein Beginn.
Und nun stehe ich vor einem Fall der Telekinese, Miss Britten. Nur eine Frage erhebt sich jetzt: beherrschen Sie die Telekinese nur unbewußt oder können Sie willkürlich und bewußt von ihr Gebrauch machen?“
„Das – das weiß ich nicht. Ich habe es noch nie versucht.“
Der Professor lächelte ermunternd.
„Dann sollten w ir es einmal versuchen.“ Er erhob sich und machte eine einladende Bewegung. „Vielleicht kommen Sie mit in mein Labor. Ich habe dort einiges für Sie vorbereitet.“
Ann wartete, bis Lex aufstand. Dann erst folgte sie dem Gelehrten, der vorangegangen war.
Prexler zeigte auf eine einfache Hebelwaage. In den Schalen auf beiden Seiten lag je ein gleich großes Stück Metall.
„Sie sehen, daß der Hebel waagerecht steht – als wären beide Schalen leer. Sie werden ahnen, was ich nun von Ihnen möchte, nicht wahr? Wenn Sie – mit Ihren Gedanken – auf eins der Gewichte – hm – sagen wir einmal drücken, müßte die Schale sinken. Sie können aber auch, wie bei dem Ring, anheben. Was immer Sie auch tun, die Waage müßte sich bewegen.“
Ann betrachtete die Waage, als habe sie nie zuvor eine solche gesehen. Lex verhielt sich still, um nicht zu stören. Er stand dicht neben der Tür gegen die Wand gelehnt. Mitten im Raum, bemerkte er, hing von der Decke an einem Faden eine Metallkugel herab. Sie schwebte dicht über einer markierten Stelle des Fußbodens. Wie aus weiter Ferne hörte er den Professor sagen:
„Sie müssen sich bewußt konzentrieren, Miss Britten, sonst mißlingt das Experiment. Nur Ihr unbedingter Wille, eins der Gewichte zu sich bringen zu wollen, kann es anheben. Konzentrieren Sie sich – denken Sie an nichts anderes als an Ihre Aufgabe. Nicht ablenken lassen …“
Ann starrte auf das rechte Gewicht in der Waagschale und versuchte, an nichts anderes zu denken. Der kleine, runde Metallblock schien größer zu werden, während sie ihn betrachtete, er schien sich ihr zu nähern. Wie hypnotisiert sah sie ihn an und gab ihrem Gehirn den Befehl – anheben – anheben …
Ihre Augen begannen zu schmerzen; im Kopf war plötzlich ein stechender Schmerz, der nachließ und wieder anschwoll. Ein glühender Nagel schien sich in ihr Gehirn bohren zu wollen.
Sie schloß die Augen und schwankte.
Prexler trat an ihre Seite und stützte sie.
„Ist Ihnen nicht wohl, Miss Britten? Haben Sie es schon versucht?“
„Es geht nicht“, hauchte sie erschöpft. „Ich kann einfach nicht.“
„Sie müssen nur wollen“, ermunterte Prexler zuversichtlich. „So schnell wollen wir doch nicht aufgeben. Vielleicht
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