TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Soltikow hatte dann angestrengt versucht, die gespannte Situation mit einigen scherzhaften Bemerkungen zu lockern.
„Seien Sie froh, Keith, daß sich Ihr Gehirn so entschieden hat, und nicht, wie es ebenso leicht hätte geschehen können, für Dauerschlaf!“ meinte er schließlich.
„Verbrauchen sich die Zellen jetzt nicht schneller?“
„Natürlich, Keith! Aber wir haben Ihnen ohnehin ein starkes aktives Regenerans gegeben, so daß Sie in den nächsten hundert Jahren immer rechtzeitig auf Reservezellen umschalten können. Und dann sind Sie ein alter Mann, für den der Staat denkt.“ Soltikow hatte damals vergeblich versucht, ein Lächeln zustande zu bringen. „Muten Sie Ihrem Körper aber nicht zuviel zu! Na, Sie werden schon rechtzeitig merken, wenn Sie schlapp werden. Legen Sie sich dann ruhig mal hin. Lesen Sie oder denken Sie an Joan. Und noch etwas, Keith! Ich muß Sie dringend bitten, über Ihre schlaflosen Nächte absolutes Schweigen zu wahren. Ich habe keine Lust, in den nächsten Monaten lauter Patienten zu operieren, nur weil ihnen zwei Stunden Arbeit am Tag zu viel und der Rest zu wenig sind, um sich zu amüsieren. Sie verstehen mich doch?“
Keiths Gesicht war unbewegt geblieben, nur seine Augen hatten den Arzt scharf beobachtet.
„Beinahe, Dr. Soltikow, beinahe. Ich habe nur noch eine Frage: Kann ich einen Moment mein Enzephalogramm sehen?“
Das Feuerzeug Soltikows war mitten in der Bewegung hängengeblieben, und Keith hatte dies ebenso registriert wie das Zittern der Hand, die es hielt.
„Tut mir leid, Keith, der Analysator ist versiegelt, da kann nur ein Beauftragter des Rates heran.“
„Ich meine die Kopie, die Sie für Ihre Auswertung benutzt haben.“
„Habe ich bedauerlicherweise anschließend in den Konverter gegeben, weil Ihre Kurven o. B. waren.“
„Dann möchte ich um eine weitere Analyse bitten!“
Soltikow hatte sichtlich nervös die kaum angerauchte Zigarette wieder ausgedrückt:
„Aber Keith, nehmen Sie doch Vernunft an! Sie sind organisch absolut gesund, und ich versichere Ihnen ehrenwörtlich, Ihr Gehirn ist so tadellos in Ordnung, daß Sie es mit jedem Humanoiden aufnehmen können!“
Keith war wortlos gegangen, aber besonders der letzte Satz des Arztes war immer wieder Anlaß zu neuen Gedanken.
*
Elmar Keith warf die Zigarette in die Aschenschale, griff nach seinem Unikom und sagte relativ deutlich:
„ZZ 97 – 000 017 bitte sofort in die Testzentrale!“ Einige Sekunden später glitt geräuschlos die Tür auseinander, und der Humanoid setzte sich ihm gegenüber gelassen in den Hygrosom.
„Was kann ich für dich tun, Elmar?“
„Betty muß bis morgen warten, Jerry. Corell hat mich gebeten, bei ihm zu essen. Hättest du Lust, mitzukommen?“
„Warum? Brauchst du Gesellschaft?“
„Das nicht gerade, aber ich dachte, eine Unterhaltung mit Corell wäre auch für dich interessant.“
„Das wäre sie sicher. Fliegen wir sofort hinüber?“ Keith warf einen kurzen Blick auf die Wanduhr, ehe er mürrisch antwortete:
„Ja, meinetwegen. Wir können uns aber Zeit lassen.“
Sie legten ihre weißen Kittel im Umkleideraum ab, wuschen sich die Hände und hielten ihre Arbeitskarten für eine Sekunde in die Schlitze der Registrierautomaten am Anfang und Ende des Kontrollganges. Damit waren Datum, Uhrzeit und Richtung des Passierens in der Zentrale vermerkt. Die Plastikfolien unterschieden sich nur in dem eingestanzten Identitätsvermerk.
Ein Expreßlift brachte sie in wenigen Minuten auf das Dach des einstöckigen langgestreckten Gebäudes. Keith war von dem ungewohnten Licht der sinkenden Sonne geblendet und machte sich darum nicht die Mühe, sein Unikom zu benutzen. Er wußte, daß der Humanoid längst irgendwo in seinem Inneren ein Mikrorelais geschaltet hatte. Kurze Zeit später sank der zweisitzige Kombischrauber auf das Dach herab.
Jerry setzte sich hinter die kleine Kontrolltafel und tastete eine sechsstellige Buchstaben-Zahlen-Kombination. Fast geräuschlos hob sich die Maschine, zog eine enge Schleife und glitt dann mit etwa halber Schallgeschwindigkeit zum Festland hinüber.
Jerry lehnte sich bequem in die Sitzwanne zurück. Sein glattes, regelmäßiges Gesicht war vom bläulichen Flimmern der Tragflächendüsen beleuchtet. Auch bei näherer Betrachtung hätte niemand ihn von einem Menschen zu unterscheiden gewußt, wenn nicht deutlich der fingernagelgroße metallische Fleck auf seiner Stirn zu sehen gewesen wäre, es sei denn, man
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