TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
die langjährige Anpassung Keiths, das ständige psychologische Versetzen in humanoide Situationen und durch die betont menschlichen Denk- und Verhaltensschemata Jerrys entstanden war.
Jerry lächelte Joan mit blitzend weißen Zähnen an. Ein Filmschauspieler konnte nicht charmanter sein. Und wenn Keith auch ganz genau wußte, daß dies nur von einer Verhaltensschablone vorgeschrieben war, die er selbst vor wenigen Jahren verbessert hatte, er fragte sich immer wieder, ob eine Täuschung so vollkommen sein könne.
Jerrys Lächeln beunruhigte Keith in höchstem Maße, und in Joans Gegenwart konnte er den vollkommenen Humanoiden beinahe hassen. Joan und Jerry waren in angeregter Unterhaltung die Treppe hinab zur Wohnterrasse gegangen.
Keith blickte nachdenklich und verwirrt in die Dunkelheit zwischen den Bäumen des Parkes, wo er damals ihr Geheimnis entdeckt hatte. Dann beeilte er sich, rechtzeitig bei Tisch zu sein.
*
Nach dem Essen bat der Professor Keith und Jerry ins Haus. Die Wohnräume Corells wichen in einer Weise von der gleichförmigen Stillosigkeit der sechziger Jahre ab, die Keith immer wieder überraschte. Sie strahlten das gewisse Etwas aus, das man nur noch höchst selten in irgendeiner menschlichen Wohnung fand: Gemütlichkeit und das Gefühl einer vornehmen Behaglichkeit. Es lag hauptsächlich wohl daran, daß Corel] völlig auf jenen Teil der Einrichtung verzichtet hatte, der schon seit Jahrhunderten unter dem Begriff Wohnelektronik den wesentlichen Teil eines Hauses ausmachte.
Corell ließ sich schnaufend in einen der antik anmutenden Rauhplastiksessel nieder und bat Keith, sich gleichfalls zu setzen. Jerry zog sich einen dritten Sessel heran.
Auf dem Rauchtisch lagen Zigaretten und marsianische Opalwasser-Pfeifen. Eine Schale mit Saharapfirsichen verbreitete die herrliche Ahnung eines herben Duftes. Vor jedem Platz stand ein Glasbecher mit Trockeneisperlen. Corell griff nach den beiden Whiskyflaschen und drehte sie, daß Keith die Etiketten betrachten konnte:
„Na, Elmar? Polar Star oder Original Scotch?“
„Der Synthetic ist besser, also Polar Star bitte!“ Keith ließ sein Glas füllen.
„Und Jerry? Was darf ich Ihnen anbieten?“
„Ich schließe mich an“, sekundierte der Humanoid.
Keith betrachtete interessiert die gefrorenen Kohlensäureperlen. Sie schäumten und perlten an den Außenflächen. Ein leichter Nebel bildete sich auf dem gelblich öligen Getränk, und das Glas beschlug mit einem matten Hauch. Der Whisky war ungewöhnlich gut.
Als Keith das Glas zurück auf den Tisch stellte, beugte sich Corell nach vorn und fragte interessiert:
„Sie wollen morgen mit Betty arbeiten, Elmar?“
„Allerdings“, antwortete Keith bereitwillig. „Der Logik-Sektor von 98 ist soweit fertig. Ich habe heute schon angefangen ihn durchzutesten, wir fanden aber gleich zu Beginn einen Yoshima-Fehler, den ich erst eliminieren mußte.“
„Sie haben sich also schon mit Betty unterhalten?“
Keith zögerte bewußt einen Moment länger als notwendig. Er sah, wie gespannt Corell auf die Antwort wartete und empfand das Bedürfnis zu lächeln.
„Natürlich, Professor. Sie bat mich, Ihnen nochmals Dank und ewige Ergebenheit zu Füßen zu legen. Es fehlte nicht viel, und sie hätte bei mir um Ihre Hand angehalten.“
Corells Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. „Warum haben Sie nicht gleich gesagt, daß ich Ihnen eine Erklärung schuldig sei“, fragte er aggressiv. „Betty ist zu klug, um dem Menschlein Elmar Keith ihre Herzensgeheimnisse anzuvertrauen!“
„Sie ist es und hat es doch!“
„So? Das sollte mich wundern!“
„Natürlich hat sie nicht geplaudert, Corell! Aber mir fiel unter anderem ihre ungewohnte Schamhaftigkeit auf.“
Corell lächelte boshaft. „Sie haben doch nicht etwa versucht, sie zu küssen?“
„O nein, Professor, da gibt es humanoide Mädchen, die mich weitaus mehr dazu reizen könnten.“
*
Corell ließ eine der Trockeneisperlen aus der Zange fallen. Sie zersprang zu winzigen Splittern, die sogleich verdampften. Keith registrierte es ebenso wie Jerry, fuhr aber ganz harmlos fort:
„Sie wollte gar nicht gern, daß ich sie untersuchte.“
„Hat sie das gesagt?“
„Aber nicht doch, Professor! Sie wissen doch, wie klug sie ist. Aber es dauerte nur einige Sekundenbruchteile zu lange, bis sie sich zwischen der Gefahr der Entdeckung ihrer süßen Geheimnisse und der Gefahr einer Untersuchungsverweigerung gegenüber
Weitere Kostenlose Bücher