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TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

Titel: TS 83: Der Mann, der ein Roboter war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schenk
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hätte aus der gepflegten, fehlerlosen Sprache und dem ungewohnt höflichen Umgang auf seine Herkunft geschlossen.
    Keith bewunderte immer wieder das Taktgefühl Jerrys, die Selbstverständlichkeit zum Beispiel, mit der er das Chauffieren übernommen und sogar die Automatik benutzt hatte, obgleich alle Humanoiden eine ausgesprochen kindliche Freude beim Bedienen jeder Maschine zeigten, und mit der Handsteuerung die gleiche Präzision wie die Automatik erreichten.
    Irgendwer mochte ihm erzählt haben, daß Keith früher die Handsteuerung bevorzugt hatte, sich seit dem Unfall mit Joan jedoch nur höchst ungern vor eine Armaturentafel setzte. Und Jerry hatte es registriert.
     
    *
     
    Keith konnte sich nur schemenhaft an den Unfall erinnern, dessen Ursachen nie geklärt worden waren. Er galt früher als einer der besten Flieger unter den Menschen, die diese Tätigkeit nicht beruflich ausübten, und Joans Maschine war, wie sich später ergeben hatte, auf die unfehlbare Automatik getastet.
    Die beiden Schrauber landeten damals gleichzeitig auf dem Dach des Testinstitutes. Keith hatte Joan lächelnd den Vortritt zugewinkt, als ihre Maschine wie ein Geschoß aus zwanzig Metern Höhe auf seinen Schrauber zugeflogen und mit ihm zusammen auf das Dach des Institutes herabgestürzt war, wobei Joans Maschine irgendwie Feuer gefangen hatte.
    Ein halbes Jahr später war er im Klinikum aufgewacht und konnte sich an nichts mehr erinnern. Erst durch das Gerichtsverfahren hatte er wie aus einzelnen Steinchen das Mosaik seines Lebens bis zu dem Unfall zusammensetzen können.
    Seltsamerweise war ihm sein Fachwissen als Ratiopositroniker, Psychologe und Spezialist für soziologisches Verhalten der humanoiden lückenlos verblieben. Und wenn er in seiner Persönlichkeit nicht eben diese Erinnerungslücke als einen Mangel empfunden hätte, wäre er dem Schicksal beinahe dankbar für das Unglück gewesen.
    Nach der Entlassung aus dem Klinikum konnte er feststellen, daß sich sein schon früher ungewöhnlich gutes Gedächtnis geradezu phänomenal erweitert haben mußte, ja, es war ihm, als wäre mit den Erinnerungen eine Fülle von Ballast abgeworfen, der früher wie ein schweres Gewicht manche logische Gedankenkette vorzeitig abgebogen hatte. Und die Erkenntnis, daß er nie wieder zu schlafen vermochte, verblaßte neben der, nicht mehr vergessen zu können.
    Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war Elmar Keith an der Weiterentwicklung der Humanoiden beteiligt, und wenn man von seinem Lehrer Professor Corell absah, gab es wohl keinen Menschen, der mehr von den Robotern wußte. Selbst Corell war immer wieder über die Sicherheit und Genauigkeit begeistert, mit der sein Schüler die Gedanken- und Verhaltensfolgen der Humanoiden kannte und voraussagte. Schon als Kind hatte Keith seine Mentoren so schnell durchschaut, daß William Keith – ein Arbeitskollege und Freund Corells – laufend die Verhaltensschemata der Erziehungshumanoiden seines Sohnes ändern mußte. Ja, wenn Professor Corell Elmar Keith nicht selbst von Kind an hätte aufwachsen sehen, wenn er nicht mit eigenen Augen bei der Operation die natürliche Beschaffenheit von Elmars Gehirn gesehen hätte, er hätte geschworen, sein bester Schüler sei ein Humanoid.
    Keith war versucht zu lächeln, denn es gab keine Humanoidenkinder, und schon gar nicht solche, die nicht an ihrem Zeichen jederzeit zu erkennen gewesen wären. Ein Humanoid konnte auch nicht lügen, abgesehen davon, daß er es gar nicht erst wollte, und Keith hatte oft genug geschwindelt, um seine Mentoren zu ärgern, ehe er erkannt hatte, daß sich ein Humanoid niemals ärgerte. Und welcher Roboter hätte sich je an den Leckerbissen aus Joans Küche so vollgeschlagen, daß er noch tagelang Bauchschmerzen davon behielt?
    Der Versuch zu lächeln unterblieb, als er an Joan dachte. Er hatte sie geliebt, vor dem Unfall. Das war aus den Unterlagen eindeutig hervorgegangen, die dem Gericht vorlagen. Und heute …
    Man konnte nicht sagen, daß sie ihm gleichgültig geworden war, dazu interessierte er sich viel zu sehr für sie. Aber es war auch nicht das, was er unter Liebe verstand. Gewiß, ihre Erscheinung und ihr Wesen deckten sich haargenau mit seinem Schönheitsideal, und es fehlte ihr nichts, was er an einer liebenswerten Frau voraussetzte, wenn ihm auch ihr überschäumendes Temperament etwas wesensfremd war. Aber gerade das war es – er hatte es ihr in seinen Briefen oft genug versichert – wovon er früher so ungemein

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