TS 86: Geist ohne Fesseln
Jahren wichen die Vereinigten Truppen zurück – von Planet zu Planet. Gewaltige Raumschlachten wurden geschlagen. Die Vereinigten verloren; nicht, weil sie weniger mutig waren oder nicht die bessere Technik besaßen, sondern weil die Quaysa Massen von Schiffen, Menschen und Energie in die Schlachten werfen konnten. Und so wie auf Saragossa sah es überall aus, wenn sich die Vereinigten zurückzogen.
Verwüstung und Elend war alles, was den Quaysa in die Hände fiel. Aber jeder Verlust bedeutete für die Vereinigten einen harten Schlag. Jetzt war die auseinandergezogene Front nur noch achttausend Lichtjahre von den beiden Zentralplaneten entfernt; von Terra und Gorquon.
McKinney wurde in die Wirklichkeit zurückgerufen, als sich die Soldaten wieder näherten. Mit sich brachten sie ein Mädchen, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. McKinney sah sie an und kniff langsam die Augen zusammen, als er erkannte, was das Mädchen in Wirklichkeit war.
Carel wandte sich an den Offizier und fragte lässig:
„Was ist das für ein Mädchen, Leutnant?“
Das Mädchen errötete unter dem starren Blick McKinneys, dann begann sie schüchtern zu lächeln. Schließlich erwiderte sie den prüfenden Blick des Majors offen und ohne Angst.
„Sie sagt, sie sei eine Terranerin namens Retera und habe ihren Bruder gepflegt. Der Mann starb gerade in dem Moment, in dem wir den Keller des Hauses betraten. Sie sind beide hier vom Krieg überrascht worden und hatten in Sea City studiert.“
„Der Planet wurde evakuiert, sofern ich mich richtig erinnere?“ fragte McKinney.
„Wir blieben da, nachdem das letzte Schiff abgeflogen war. Es gab niemand, der sich um uns kümmerte. Wir waren vergessen, Sir!“ sagte das Mädchen. McKinney lachte kurz, dann faßte er sie vorsichtig am Arm.
„Sie werden auf Terra mehr gebraucht als hier. Sie werden Lebende zu betreuen haben, keine Toten. Kommen Sie mit!“
„Es ist alles so grauenhaft sinnlos, Sir“, sagte sie mit der Stimme eines Menschen, der jede Hoffnung weit hinter sich gelassen hatte. „Ich kann nicht mehr, und wenn ich könnte – ich will auch nicht mehr.“
„Ich werde Ihnen zeigen, daß Sie müssen, Miß Retera“, sagte McKinney und faßte sie unter den Arm. Das Mädchen lehnte sich schwer an ihn, als suche sie eine Stütze. Dann faßte sie der Leutnant auf der anderen Seite unter, und die Männer gingen mit ihr hinunter an den Strand.
McKinney betrachtete Miß Retera schweigend von der Seite. Abgesehen davon, daß sie einen verwahrlosten Eindruck machte, zeigten die Linien ihres Profils eine fast klassische Schönheit; dieselbe, die den terranischen Südländern eigen ist. Das schwarze Haar fiel lang und glatt auf die Schultern, und die abgerissenen Kleider und die schmutzigen Stiefel vermochten die Schönheit nicht sehr zu verstecken. Der Major blickte wieder geradeaus und dann nach oben, als die Düsen des Trägerschiffes zu hören waren.
Die Einschiffung nahm nicht mehr als drei Minuten in Anspruch, dann funkte einer der Soldaten die Sprengformel zu dem zerschossenen und brandgeschwärzten Bunker hinüber. Die Detonation und die Erschütterung des Bodens vermischten sich mit dem Grollen der anspringenden Düsensätze.
Der riesenhafte, mehr als dreihundert Meter lange Rumpf der Hunting Bow erhob sich langsam. McKinney stand an einem der schmalen, langgezogenen Fenster und sah hinunter. Neben ihm kämpfte Renata Retera mit den Tränen.
Unter ihnen lagen die verwüsteten Bezirke einer Stadt, die zu dem Schönsten gehört hatte, was die Planeten des Äußeren Raumes zu bieten gehabt hatten. Nichts mehr war davon übrig. Erst hundert Jahre später würde man wieder die Wälder abholzen können, um neu zu bauen – wenn es jemals gelang, die Millionenhorden der Quaysa zurückzudrängen.
Das Schiff flog systematisch die sieben Städte ab und sammelte überall die Soldaten ein, die übriggeblieben waren von den Regimentern der Verteidiger. Viele waren es nicht mehr.
Saragossa war der siebzigste von den hundertdreißig Planeten, die jetzt den Quaysa gehörten. Nur noch sechzig Welten verblieben den Vereinigten. Und schon wurde um zehn von ihnen erbittert gerungen. Immer dünner wurde der Querbalken des T, bis er schließlich zerbrechen würde.
Das zwölfte Jahr des Großen Krieges rückte näher. Noch war kein Ende abzusehen.
*
Auf dem Schiff sah es so aus, wie es McKinney nicht anders erwartet hatte. Jeder Raum war vollgepfropft mit Soldaten und wenigen Familien von
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