TS 88: Das Ende der Zeitreise
Atomkrieg. Systematisch wurde der Mond erforscht. Erste Expeditionen kehrten von Mars und Venus zurück. Das Sonnensystem, ja, die ganze Galaxis, schien offen vor uns zu liegen. Dann kam das Mondmoos, und die hoffnungsvolle Entwicklung brach ab. Der Mensch mußte den Blick von den Sternen wenden. Er kämpfte um die nackte Existenz. Würde er Sieger bleiben? Oder sollte er in den Abgrund des Vergessens geschleudert werden, nachdem er einen kurzen Blick auf die Wunder des Alls geworfen hatte? Das konnte – das durfte nicht sein!
Unbewußt füllten sich meine Augen mit Tränen. Vielleicht aus diesem Grunde schenkte ich der unmittelbaren Umgebung nicht die nötige Beachtung. Plötzlich legte sich schwarzer Nebel vor die Sichtscheibe des Helmes – Staub! Mit einem Ruck wurden mir die Füße unter dem Leib weggezogen.
Eine Staubhalde! registrierte mein Unterbewußtsein. Ich reagierte schnell. Mit der Wirkung geringer Schwerkraft vertraut, mied ich jede hastige Bewegung. Sie hätte mich nur noch mehr von der rettenden Wand abgetrieben. Statt dessen begann ich, mich wie ein Schwimmer zu bewegen. Der Staub mußte das tragende Fluidum ersetzen, mußte den Bewegungen soviel Widerstand bieten, daß ich die Wand erreichen konnte, bevor meine Fallgeschwindigkeit zu groß geworden war. Der kalte Schweiß trat mir auf die Stirn, als mir bewußt wurde, daß ich nur rein instinktiv nach einer Seite strebte. Wer sagte mir, daß es die richtige Seite war!
Ein heftiger Schlag gegen den Helm raubte mir fast die Besinnung. Meine Finger krallten sich in trockenen Blockschutt, versuchten verzweifelt, einen Halt zu erhaschen – und griffen erneut ins Leere. Die Fallgeschwindigkeit nahm wieder zu. Hätte ich nur einen Gefährten mitgenommen! Wer sollte das Schiff zur Erde bringen, wenn ich zerschmettert am Grunde des Kraters lag? Innerlich verfluchte ich meinen Leichtsinn. Dann griff mitternächtliches Dunkel nach meinen Sinnen und verhüllte mir die Augen.
Der dumpfe Klang einer Stimme weckte mich auf – oder waren es die Posaunen des Jüngsten Gerichts? Ich hatte nie an ein bewußtes Weiterleben der Materie nach dem Tode geglaubt, doch mein Verstand sagte mir, daß ich den Sturz in zweitausend Meter Tiefe nicht lebend überstanden haben könne – also mußte ich tot sein!
Ich öffnete die Augen. Sie erspähten vage Dunkelheit und ein finsteres Meer dick aufwallenden Staubes. „Also doch nicht tot!“ registrierte ich. Daß ich es laut gedacht hatte, erkannte ich erst an der Antwort, die gequetscht aus meinem Empfänger kam. Ich schaltete den Verstärker ein.
„… steckst du? Warum meldest du dich nicht?“ dröhnte es aus dem Helmlautsprecher.
Das war Juri!
„Hallo!“ rief ich matt. „Ich bin ein Stück abgerutscht. Ich komme sofort nach oben, wenn sich der Staub verzogen hat.“
Ein mehrstimmiges, erleichtertes Stöhnen war die Antwort. Dann kam Bens besorgte Stimme. „Brauchst du Hilfe. Andrew?“
„Nein, danke. Macht euch um mich keine Sorgen. Ich bin gleich wieder da.“
„Okay!“ erwiderte Ben. Dann herrschte erneut Stille. Die Gefährten wußten mich in Sicherheit und gingen wieder an ihre Arbeit. Aber war ich wirklich im Sicherheit? Wo lag ich eigentlich? Wenn ich nicht zufällig auf einer Art Plateau gelandet war, hing ich möglicherweise an einem winzigen Felsvorsprung; und jede unbedachte Bewegung konnte zum endgültigen Absturz führen. Ich wagte mich nicht zu rühren und verfluchte den Staub, der aufreizend langsam zu Boden sank. Dann schob ich behutsam eine Hand nach oben und schaltete die Helmlampe ein. Es war ein Wunder, daß sie den Sturz heil überstanden hatte – aber sie brannte.
Nachdem sich meine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, erblickte ich hinter den tanzenden Staubpartikeln eine großporige, dunkelgraue Wand im Lichtkegel. Ich neigte den Kopf, so daß der helle Schein auf den Boden fiel – und sah Staub. In einer jähen Ahnung riß ich den Kopf in den Nacken. Der Lichtkegel folgte der Bewegung und tanzte geisterhaft zitternd an eng zusammenrückenden Felswänden empor. Ich löschte für einen Augenblick das Licht und sah einen winzigen Ausschnitt sternenumleuchteten Himmels. Nun wußte ich, daß mein Sturz in einem staubgefüllten Kamin geendet hatte. Es würde nicht leicht sein, hier herauszukommen. Immerhin hatte ich großes Glück gehabt. Ebensogut hätte der Anzug reißen oder der Helm zersplittern können.
Schon wollte ich den Aufstieg beginnen, als der Schock
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