TS 91: Bis in die Unendlichkeit
herausgetrennt war.
Grimmig trat er zu der kleinen Ansammlung rund um die Kanonen. Art Zote war es, der Harpunier, der ihm mürrisch den entstandenen Schaden umriß:
„Hier, Sir, das verdammte Biest hat unser Harpunenkabel durchschnitten. Und dafür zurückgelassen hat es uns so einen miesen Kupferdraht, oder was es auch immer sein mag. Da, sehen Sie sich diesen Mist an!“
Wardell nahm den dargebotenen Draht wortlos in die Hand. Die Sache war mehr als verrückt. Mit halbem Ohr hörte er, wie Art weitersprach:
„Das verdammte Zeug liegt überall herum. Jetzt haben wir noch zwei andere Harpuniersätze, und jeder einzelne ist verstrebt wie ein frisch gezogenes Tauwerk zwischen Bord und Mastkorb. Das Ding hat Löcher ins Deck gebohrt, die Drähte durchgezogen und am Gickbaum festgezurrt. Würde ja nicht einmal so übel sein, wäre das Zeug was Besseres als dieser dünne Draht …“
„Holen Sie eine Drahtzange“, entgegnete Wardell. „Wir räumen das jetzt weg und …“
Es war erstaunlich, aber der Draht ließ sich nicht schneiden. Er strengte seine ganze Kraft an; vergebens. Das feine Kabel schimmerte vage, ein Umstand, der jedoch an einer Lichtspiegelung liegen mochte.
Hinter ihm sagte jemand mit seltsam klingender Stimme:
„Ich glaube, die wollen mit uns ein Geschäft machen. Frage mich nur, auf was für eine Art ,Wal’ sie uns vorbereiten?“
Wardell stand ganz still, verwirrt durch die eigenartige Formulierung der Frage:
… auf was … sie uns vorbereiten?
Er straffte sich, nun endgültig entschlossen. „Männer“ sagte er hallend, „frühstückt jetzt. Dieser Sache gehen wir auf den Grund, und sei es bis zum letzten Atemzug!“
*
Die Riemendollen ächzten. Das Wasser plätscherte sanft gegen die Wandung des Ruderbootes – und Wardell gefiel seine Lage mit jeder verstreichenden Minute weniger.
Erst nach einer Weile fiel ihm auf, daß sie nicht direkt auf das fremde Schiff zusteuerten und daß der Winkel ihrer Annäherung eine Seitenansicht jenes Objektes gestattete, das er schon früher am Vorderteil des metallenen Decks bemerkt hatte.
Er hob seinen Feldstecher – und dann blieb er einfach sitzen, viel zu verwirrt, um etwas zu sagen. Richtig, es war eine Waffe, aber – eine Harpunenkanone!
Es gab keinen Zweifel daran. Noch nicht einmal die Bauart hatten sie verändert, oder etwa die Länge der Harpune, und … Einen Augenblick! Wie stand es mit dem Kabel?
Er konnte neben der Kanone eine spielzeughafte Schlepprolle ausmachen, und da erstrahlte auch ein kupferner Glanz, der Bände sprach …
„Sie haben uns ein Kabel gegeben“, dachte er, „das so gut ist wie ihr eigenes, ein Kabel, das alles halten wird.“
Wieder durchlief jener eisige Schauer, und die Worte, die einer von der Mannschaft benutzt hatte, kamen ihm in den Sinn:
Was für eine Art „Wal“ …
„Näher!“ befahl er heiser.
Nur schwach war er sich bewußt, daß seine Verwegenheit an Wahnsinn grenzte. „Jetzt heißt es aufpassen“, dachte er.
„Näher!“ drängte er von neuem.
Bei einer Entfernung von fünfzehn Metern erwies sich die dunkle Hülle des Schiffes, ja, selbst der unter Wasser befindliche Teil, als vollkommen glatt. Nicht einmal ein Kratzer kennzeichnete die Stellen, wo die Granaten aus dem 7,6-cm-Geschütz explodiert waren. Kein Zeichen einer Beschädigung weit und breit.
Wardell öffnete gerade den Mund, um erneut zu sprechen, als ein donnerartiges Geräusch ertönte.
Es war ein völlig umwälzender Laut, klang so, als feuere eine ganze Batterie von monströsen Geschützen. Das Getöse hallte von den kahlen Hügeln wider, sprang hin und her zwischen den Landzungen der Bucht, wie in einer natürlichen Höhlung.
Das lange, torpedoförmige Schiff begann sich zu bewegen. Schneller und schneller wurde es. Dabei machte es einen großen Bogen, vom Heck aus eine Reihe wütender Blitze ins Wasser schickend, und hielt dann, nachdem es dem Ruderboot gänzlich ausgewichen war, auf die schmale Pforte zu, die zur offenen See führte.
Plötzlich – aus heiterem Himmel – klatschte neben ihm eine Granate nieder, dann eine zweite und eine dritte. Wardell konnte auf dem entfernten Deck der Albatros das Mündungsfeuer des Geschützes sehen. Es stand außer Frage, daß Art Zote und Preedy die Stunde der Entscheidung für gekommen hielten.
Aber das fremde Schiff flüchtete nicht. Es donnerte geradewegs auf die Meerenge zu, durcheilte Sandbänke und Riffe und erreichte dann das freie Meer. Es
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