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TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

Titel: TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredric Brown
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hat?“
    „Genau.“
    „Und was macht den Auftrag so kitzlig?“
    „Der Doc meint, man könne sich die Story nur von drinnen holen.“
    „Sie wollen sagen – als Wärter oder so?“
    „Oder so.“
    „Aha.“
    Vine stand auf und ging zum Fenster. Chandler den Rücken zugekehrt, blickte er hinaus. Die Sonne hatte sich praktisch nicht weiterbewegt; dennoch sah das Licht-Schatten-Muster in den Straßen anders aus. Auch sein ureigenstes Ich schien mit einemmal verändert. Er wußte, genau das war es, was er geahnt hatte. Er drehte sich um. Er sagte: „Nein. Zum Teufel nein!“
    Chandler zuckte unmerklich die Achseln. „Kann Sie verstehen. Ich habe Sie auch nicht darum gebeten. Ich würde es ja selbst nicht tun.“
    Er fragte: „Und dieser Ellsworth Joyce Randolph – was glaubt er, geht in seinem Tollhaus vor? Muß ja was ganz Verrücktes sein, wenn Sie deswegen an seinem Verstand zweifeln.“
    „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Vine.“
    „Sie meinen – selbst wenn ich den Job ausführen sollte, wüßte ich noch immer nicht, wonach ich eigentlich zu suchen hätte?“
    „Richtig. Sie wären voreingenommen; jedenfalls nicht objektiv genug. Sie würden krampfhaft nach etwas suchen – und Sie könnten glauben, dieses ‚Etwas’ gefunden zu haben, auch wenn es gar nicht da wäre. Oder Sie könnten derart voreingenommen sein gegenüber der Lösung, daß Sie diese nicht erkennen würden, selbst wenn sie vor Ihrer Nase läge.“
    Vine schritt zurück zum Tisch und schlug mit der Faust auf die Platte. Er sagte:
    „Verdammt noch mal, Chandler, warum gerade ich? Sie wissen, was ich vor drei Jahren hatte.“
    „Ja, sicher. Amnesie.“
    „Amnesie. Als ob das alles wäre! Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, daß ich nie über diese Amnesie hinwegkam. Ich bin dreißig Jahre alt – bin ich es? Meine Erinnerung reicht nur drei Jahre zurück. Wissen Sie, was für ein Gefühl das ist, wenn man hinter drei Jahren Vergangenheit eine dunkle Mauer im Gedächtnis hat?
    Oh, natürlich – ich weiß, was auf der anderen Seite ist. Ein jeder hat es mir erzählt! Ich weiß, vor zehn Jahren fing ich hier als Laufbursche an. Ich weiß, wo und wann ich geboren bin, und auch, daß meine Eltern tot sind. Ich weiß, wie sie aussehen – weil man mir Bilder von ihnen gezeigt hat. Ich weiß, ich war unverheiratet – denn ein jeder, der mich kannte, bestätigte es. Verstehen Sie – ein jeder, der mich kannte, nicht jeder, den ICH kannte! Mir waren sie alle fremd.
    Sicher, ich habe seit damals meinen Mann gestellt. Kaum daß ich aus dem Spital heraus war – und ich erinnere mich nicht einmal an den Unfall, der mich hineinbrachte –, ging ich an die Arbeit, weil ich noch immer Zeitungsartikel zu schreiben verstand, auch wenn ich alle Namen nochmalslernen mußte. Ich war nicht schlimmer dran als irgendein Reporter, der umzieht und bei einer fremden Zeitung einsteigt. Und jeder gab sich große Mühe, mir dabei zu helfen.“
    Chandler hob beschwichtigend die Hand, um den Wortschwall einzudämmen. Er sagte: „Schon gut, Nappi. Sie sagten nein, und das genügt. Ich sehe zwar nicht, was das alles mit der Geschichte von Randolph zu tun hat, aber Sie brauchten ja nur nein sagen. Vergessen Sie es also.“
    Die Gespanntheit war noch nicht aus Vine gewichen. Er sagte:
    „Sie sehen nicht, was das mit der Story zu tun hat? Und da fragen Sie mich – oder, nun gut, Sie fragten nicht, sondern Sie machten den Vorschlag, daß ich mich für verrückt erklären lasse und in eine Irrenanstalt gehe! – Wenn … Wieviel Zuversicht kann jemand in seinen eigenen Geist haben, wenn er sich nicht einmal daran erinnern kann, wie er zur Schule gegangen ist; oder wann er zum erstenmal einem jener Leute begegnete, mit denen er Tag für Tag zusammenarbeitet; oder wie er den Job bekam, den er jetzt hat? – Wenn er sich an nichts erinnern kann, an nichts, was über drei Jahre zurückliegt?“
    Und wieder schlug er mit der Faust auf den Tisch. Es dauerte Sekunden, bis er sich seines närrischen Verhaltens bewußt wurde. Er sagte: „Tut mir leid. Ich wollte mich nicht gehen lassen.“
    Chandler meinte: „Setzen Sie sich.“
    „Meine Antwort ist nach wie vor nein !“
    „Setzen Sie sich trotzdem.“
    Er nahm Platz, zog eine neue Zigarette hervor, zündete sie an.
    Chandler sagte: „Ich wollte es überhaupt nicht erwähnen, aber jetzt muß ich es wohl. – Jetzt, wo Sie so gesprochen haben. Ich hatte ja keine Ahnung, daß Ihnen die Sache derart zu Herzen ging.

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