TS 96: Menschen auf fremden Sternen
stimmen demnach mit seinen Ansichten überein. Ich finde das etwas merkwürdig. Sie sind ein bedeutender Historiker. Es müssen sich doch irgendwelche Reibungspunkte ergeben haben.“
„Vielleicht sollte ich Ihnen etwas Grundsätzliches sagen, Mr. Dryden. Geschichte ist das Ergebnis von Ursachen und Wirkungen. Die Alternative dazu ist die Ansicht, die viele von uns vertreten. Wir halten den Menschen für ein übernatürliches Wesen, das keinen starren Prinzipien untergeordnet ist. Dr. Hughes schrieb seine wissenschaftlichen Arbeiten immer etwas trocken. In Wahrheit interessierte er sich aber sehr für Menschen. Ich glaube, er schrieb sogar einmal eine Novelle.“
„Wurde sie gedruckt?“
„Er schrieb sie nie bis zur Druckreife.“
„Haben Sie diese Novelle gelesen?“
„Nein. Unsere Verbindungen waren nicht so eng. Er mied andere Historiker. Er war natürlich immer freundlich und höflich, knüpfte aber keine echten Freundschaften an. Ab und zu erhielt er Briefe aus Kanada. Wenn er sie las, lachte er immer sehr laut. Wir wunderten uns darüber.“
„Von wem stammten diese Briefe?“
„Von einem Herbert Kay Carpenter.“
„Das ist doch ein Dichter.“
„Ja. Dr. Hughes bekam seine Bücher, bevor sie auf dem Markt erschienen. Deshalb kann ich mich auch so genau daran erinnern.“
Wade stand auf und verabschiedete sich. „Hoffentlich brauchen wir Sie nicht wieder zu belästigen, Sir.“
„Es war keine Belästigung. Hoffentlich klärt sich alles auf, Mr. Dryden“, antwortete Clements.
„Das hoffe ich auch.“
*
Wade war schon am nächsten Tag in Kanada. Er landete auf einer kleinen Insel und ging zu dem einzigen Blockhaus. Auf sein Klopfen öffnete ein großer, breitschultriger Mann in zerdrückter Kleidung. Die Muskeln hatte dieser Mann bestimmt nicht vom Gedichteschreiben.
„Ein Autogramm kostet zehntausend Dollar und einen Tritt in den Allerwertesten“, knurrte er.
„Ich bin Wade Dryden“, stellte sich Wade grinsend vor. „Ich habe Sie gestern angerufen.“
„Ach ja! Sie wollen Informationen über Dan. Kommen Sie herein.“
Das Haus hatte einen überraschend großen Raum. An den Wänden standen Bücherregale, überall lagen Papiere und Bücher herum. Carpenter machte einen Sessel frei und bot ihn seinem Gast an. Carpenter lehnte sich an den Fensterrahmen und zündete sich seine Pfeife an.
„Was hat er angestellt?“ fragte er unvermittelt.
Wade fand den Dichter sofort sympathisch. Er hätte gern die Wahrheit gesagt, doch das durfte er nicht.
„Ich kann Ihnen leider nichts darüber sagen, Herb. Ich hoffe, Sie verstehen das. Dan Hughes ist in Schwierigkeiten, und ich soll ihn daraus befreien. Dazu muß ich herausfinden, warum er in Schwierigkeiten geraten ist. Ich brauche ein Charakterbild von ihm.“
„Dan ist ein Pferdenarr“, sagte Carpenter. „Er hätte nie Historiker werden dürfen. Leider hat er nie den Mut aufgebracht, auszubrechen.“
„Sie sind ein guter Freund von ihm?“
„Ja. Ich bin sein Freund, obwohl ich ihn nicht verstehen kann.“
„Wollte er schreiben?“
„Er hat es sogar versucht.“
„Sein Werk hat Ihnen nicht gefallen?“
„Ich gab ihm, den Rat, die Novelle in den Ofen zu stecken. Das Buch war Unsinn.“
„Er wollte also etwas werden, wozu er sich nicht eignet?“
„Das habe ich nicht gesagt. Er hat nur ein falsches Thema gewählt. Dan ist schwer zu begreifen; er paßt in keine Schablone. Er hatte eine Frau, aber er liebte sie nicht, er verrichtete eine Arbeit, die er haßte. Ich glaube, er hat sich nirgends heimisch gefühlt. Ich wußte immer, daß er eines Tages mit einer Überraschung aufwarten würde.“
„Vielleicht kann ich ihn zurückholen.“
„Warum? Möglicherweise ist er jetzt glücklich.“
„Das werde ich bald wissen.“
Carpenter betrachtete seinen Gast eingehend. „Sie sind nicht verheiratet, nicht wahr?“
„Wie haben Sie das erraten?“
„Ich bin eben ein Dichter.“ Carpenter lachte. „Kommen Sie mit in die Küche. Der Kaffee wird fertig sein.“
Wade lernte Carpenters Frau kennen, eine Frau, die zu diesem Mann paßte, intelligent, aber ohne überflüssige Hemmungen.
Später geleitete Carpenter seinen Gast zur Tür. Er schien alles zu ahnen, denn er sagte nachdenklich: „Besuchen Sie uns, wenn Sie zurückkommen. Ich möchte gern alles über Dan erfahren.“
Wade nickte und kletterte in seinen Hubschrauber.
*
Daniel Hughes’ Frau lebte während seiner Abwesenheit bei ihrer Schwester in
Weitere Kostenlose Bücher