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Tschick (German Edition)

Tschick (German Edition)

Titel: Tschick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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Die Mutter brachte das Essen in einem riesigen Topf, und es gab Reis mit Pampe. Das war offensichtlich Risi-Pisi: Reis mit Pampe. Die Pampe war gelblich, und es schwammen kleine Bröckchen drin und grüne Kräuter. Die Mutter tat allen mit der Suppenkelle auf, aber niemand rührte das Essen an. Stattdessen hoben alle wie auf Kommando ihre Arme und fassten sich an den Händen, und weil uns die ganze Familie anguckte, hoben wir auch die Hände. Ich bekam die von Tschick und Friedemann zu fassen, und die Mutter sagte mit schiefgelegtem Kopf: «Na ja, vielleicht müssen wir das auch nicht unbedingt heute. Begrüßen wir zur Feier des Tages doch einfach unsere weitgereisten Gäste, danken für alles, was uns beschert wurde und – guten Appetit.»
    Dann wurden die Hände geschüttelt, und es wurde gegessen, und da kann man sagen, was man will, die Pampe schmeckte phantastisch.
    Als wir fertig waren, schob Tschick seinen leeren Teller mit zwei Händen von sich weg und erklärte in Richtung der Hausfrau, dass das ja ein bonfortionöses Mahl gewesen wäre, und ich stimmte ihm zu. Die Frau reagierte mit einer gerunzelten Stirn. Ich kratzte mich hinterm Ohr und wiederholte, dass ich schon seit Ewigkeiten nichts so Gutes mehr gegessen hätte, und Tschick ergänzte, es wäre superbonfortionös gewesen. Die Frau zeigte ein bisschen Zahnfleisch und räusperte sich in ihre Faust, und Friedemann guckte uns mit großen Froschaugen an. Und dann kam der Nachtisch. Alter Finne.
    Am liebsten würde ich das ja gar nicht erzählen. Ich erzähl’s aber trotzdem. Florentine, die Neunjährige, brachte den Nachtisch auf einem Tablett heraus. Es war irgendwas Schaumiges, Weißes mit Himbeeren drauf, abgefüllt in acht Schälchen. Acht unterschiedlich große Schälchen. Mir war sofort klar, dass es jetzt Streit geben würde um das größte Schälchen – aber da hatte ich mich getäuscht.
    Die acht Schälchen standen zusammengedrängt in der Mitte vom Tisch, und niemand rührte sie an. Alle rutschten nur auf ihren Stühlen rum und guckten die Frau an.
    «Schnell, schnell!», sagte Friedemann.
    «Ich muss erst überlegen», sagte sie und schloss kurz die Augen. «Gut. Ich weiß was.» Sie bedachte Tschick und mich mit einem freundlichen Blick und schaute dann wieder in die Runde. «Was bekommt Merope Gaunt für Slytherins Medaillon, als sie –»
    «Zwölf Galleonen!», brüllte Friedemann. Es riss ihn vom Stuhl, und der Tisch wackelte.
    «Zehn Galleonen!», brüllten alle anderen.
    Die Mutter wiegte den Kopf und lächelte: «Ich glaube, Elisabeth war die Schnellste.»
    Lässig sicherte Elisabeth sich die größte Schüssel mit den meisten Himbeeren. Florentine protestierte, weil sie meinte, genauso schnell gewesen zu sein, und Friedemann hämmerte mit beiden Händen an seine Stirn und rief: «Zehn! Ich Depp! Zehn!»
    Tschick stieß mich unterm Tisch mit dem Fuß an. Ich zuckte die Schultern. Slytherin? Galleonen?
    «Ihr habt wohl nicht Harry Potter gelesen?», fragte die Mutter. «Aber egal. Wir wechseln die Themen.»
    Sie dachte erneut kurz nach, und Elisabeth nahm ein wenig Dessert auf ihren Löffel, hielt es hoch und wartete. Sie wartete, bis Friedemann sie ansah, und schob dann den Löffel langsam in ihren Mund.
    «Geografie und Wissenschaft», sagte die Mutter. «Wie heißt das Forschungsschiff, mit dem Alexander von –»
    «Pizarro!», brüllte Friedemann, und sein Stuhl flog nach hinten. Er zog sofort das zweitgrößte Schälchen zu sich, senkte seine Nase auf den Rand und flüsterte: «Zehn, zehn! Wie komme ich denn auf zwölf?»
    «Das ist un gerecht», sagte Florentine. «Ich hab’s auch gewusst. Nur weil er immer so brüllt.»
    Als Nächstes fragte die Mutter, was wir an Pfingsten feiern würden, und ich muss wahrscheinlich nicht dazusagen, wie das Spiel endete. Als nur noch die beiden kleinsten Schälchen übrig waren, fragte die Mutter, wer der erste deutsche Bundespräsident gewesen wäre. Ich tippte auf Adenauer, und Tschick auf Helmut Kohl. Die Mutter wollte uns die Desserts auch so geben, aber Florentine war dagegen. Und die anderen waren auch dagegen. Ich hätte jetzt wirklich gern auf den Nachtisch verzichtet, aber Jonas, der Jüngste, ein ungefähr Sechsjähriger, leierte zuerst der Reihe nach alle Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland runter und riss dann die Spielleitung an sich und fragte uns, was die Hauptstadt von Deutschland wäre.
    «Na ja, Berlin, würd ick jetz ma sagen», sagte ich.
    «Das hätt ich

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