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Tschick (German Edition)

Tschick (German Edition)

Titel: Tschick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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schließlich, doch sofort mit dem Auto weiterzufahren, weil dieses Warten irgendwie keinen Sinn machte.
    Währenddessen hatten die Radfahrer sich neben uns auf der Mauer breitgemacht, ein Dutzend Jungen und Mädchen in unserem Alter und ein Erwachsener. Die frühstückten jetzt und redeten leise miteinander, und sie sahen wirklich merkwürdig aus. Für einen Klassenausflug war die Gruppe zu klein, für eine Familie zu groß und für die Tour des Behindertenheims zu gut gekleidet. Aber irgendwas stimmte mit denen nicht. Sie trugen alle so Klamotten. Keine Markenklamotten, aber es sah auch nicht billig aus, im Gegenteil. Sehr teuer und irgendwie behindert. Und sie hatten alle sehr, sehr saubere Gesichter. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber die Gesichter waren irgendwie sauber. Das Merkwürdigste aber war der Betreuer. Der redete mit denen, als wären sie seine Vorgesetzten. Tschick fragte eins der Mädchen, aus welchem Heim sie ausgebrochen wären, und das Mädchen sagte: «Aus keinem. Wir sind Adel auf dem Radel. Wir fahren von Gut zu Gut.» Sie sagte das sehr ernst und sehr höflich. Vielleicht wollte sie auch einen Witz machen, und es war die Fahrradtour der örtlichen Clownsschule.
    «Und ihr so?», fragte sie.
    «Wir so?»
    «Macht ihr auch eine Radtour?»
    «Wir sind Automobilisten», erklärte Tschick.
    Das Mädchen wandte sich an den Jungen neben ihr und sagte: «Du hattest unrecht. Es sind Automobilisten.»
    «Und ihr seid was genau? Adel auf dem Radel ?»
    «Was findest du daran so bemerkenswert? Ist Automobilist weniger bemerkenswert?»
    «Ja, aber Adel auf dem Radel?»
    «Ja, und ihr: Proleten auf Raketen?»
    Mann, war die drauf. Vielleicht war vor der örtlichen Clownsschule auch gerade eine Ladung Koks ausgekippt worden. Was die Jungs und Mädchen auf dem Berg da wirklich machten, haben wir dann nicht mehr rausgefunden, aber tatsächlich haben wir die ganze Gruppe wenig später auf der Landstraße mit dem Lada überholt, und das Mädchen winkte, und wir winkten auch. Also wenigstens das mit dem Radel stimmte. Zu diesem Zeitpunkt fühlten wir uns schon wieder wahnsinnig sicher, und ich schlug Tschick vor, wenn wir uns mal mit Decknamen anreden müssten, dann wäre er Graf Lada und ich Graf Koks.

25
    Aber das eigentliche Problem an diesem Vormittag war, dass wir nichts zu essen hatten.
    Wir hatten Konservendosen mitgenommen, aber keinen Dosenöffner. Es gab noch drei Scheiben Knäckebrot, aber keine Butter. Und die sechs Fertigpizzas waren aufgetaut absolut ungenießbar. Ich versuchte noch, ein Stück davon mit dem Feuerzeug zu grillen, aber das ging gar nicht, und am Ende verließen sechs Frisbeescheiben den Lada wie Ufos den brennenden Todesstern.
    Die Rettung kam ein paar Kilometer weiter: Da zeigte ein gelber Wegweiser nach links auf ein kleines Dorf, und am gleichen Wegweiser hing Werbung: Norma 1   km. Schon aus der Entfernung sah man den riesigen Supermarkt, der wie ein Schuhkarton in der Landschaft stand.
    Das Dorf daneben war winzig. Wir fuhren erst einmal ganz durch, parkten vor einer großen Scheune, wo uns keiner sah, und gingen zu Fuß zurück. Obwohl der ganze Ort nur aus ungefähr zehn Straßen bestand, die sich alle an einem Brunnen auf dem Marktplatz trafen, konnten wir von da den Supermarkt nicht mehr entdecken. Tschick wollte nach links. Ich wollte schräg geradeaus, und es war keiner auf der Straße, den man fragen konnte. Wir liefen durch menschenleere Gassen, schließlich kam uns ein Junge auf einem Fahrrad entgegen, einem Holzfahrrad ohne Pedale. Um vorwärtszukommen, musste er die Beine vor- und zurückschleudern. Er war ungefähr zwölf Jahre alt und schätzungsweise zehn Jahre zu alt für dieses Fahrrad. Seine Knie schleiften auf der Erde. Er blieb direkt vor uns stehen und glotzte uns mit riesigen Augen an wie ein großer behinderter Frosch.
    Tschick fragte ihn, wo denn hier der Norma wäre, und der Junge lächelte entweder sehr verwegen oder sehr ahnungslos. Er hatte unglaublich viel Zahnfleisch.
    «Wir kaufen nicht im Supermarkt», erklärte er bestimmt.
    «Interessant. Und wo ist er?»
    «Wir kaufen immer bei Froehlich.»
    «Ah, bei Froehlich.» Tschick nickte dem Jungen zu wie ein Cowboy, der dem anderen Cowboy nicht wehtun will. «Aber uns würde hauptsächlich interessieren, wo es hier zum Norma geht.»
    Der Junge nickte eifrig, hob eine Hand an den Kopf, als würde er sich kratzen wollen, und zeigte mit der anderen unentschlossen in der Gegend rum. Dann

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