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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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Letchus es aus Gangsterfilmen kannte. Außerdem roch er, als wäre er die letzten Wochen nicht aus seinen Kleidern gekommen. »Coffee-powder, cigarettes, Mister? Gebe dir gute Hut.« Er zeigte mit dem Zeigefinger auf den zerknitterten und speckigen Gangster-Hut.
    Edwards blaffte den fremden Mann an: »Was wollen Sie?«
    Der Mann zuckte zusammen. »Zigaretten und Kaffeepulver tauschen!«
    »Wir haben kein Interesse! Fahren Sie weiter!«
    »Ich gebe Ihnen meinen Hut und Fotos von deutsche Fräuleins.«
    »Verschwinden Sie!« Edwards wandte sich ab und setzte seinen Weg fort. Der Fremde radelte beleidigt weiter. Als er an der Halbkette vorbeikam und neugierig hineinsah, wurde er gleich von dem bewaffneten Private Piece vertrieben. An Roebucks Dodge erging es ihm anschließend nicht viel besser.
    »Was sind das für Leute, Mr. Willi?«
    Der Angesprochene lachte. »Mein Name ist Hauff, Willi Hauff.«
    »Okay, Mr Hauff. Wer war das?«
    »Das sind Einwohner von Karlsruhe, die auf der Suche nach Essen sind. Sie tauschen all ihr Hab und Gut gegen Nahrungsmittel, Medikamente oder Kohlen ein. Sie fahren morgens aufs Land und abends wieder zurück. Ist doch ab einundzwanzig Uhr Ausgangssperre in der französischen Zone. Ihre amerikanischen Zigaretten sind hier außerdem sehr begehrt. Besser als Geld. Für Zigaretten und Kaffee bekommen Sie alles. Sie müssen aufpassen, dass Ihnen niemand die Zigaretten aus dem Fahrzeug stiehlt.«
    »Vielen Dank für den Hinweis! In der amerikanischen Zone ist die Ausgangssperre genauso gültig. Wir haben uns alle abgesprochen. Aber wegen unserer Zigaretten brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.« Edwards klopfte dem alten Feuerwehrmann auf die Schulter. »Wir passen darauf auf.«
    An den Überresten der Bäckerei auf der gegenüberliegenden Straßenseite angekommen, schloss der Konditormeister die Tür auf und öffnete sie quietschend. Der kleine Laden war bis auf ein paar Bretter und Metallteile auf dem Boden komplett leer. Die große Schaufensterscheibe war eingeschlagen, wurde aber noch von einem schief in den Schienen hängenden Holzrollladen geschützt. An einer Wand hing die obere Hälfte eines Werbeschilds der ›LUPUS Kaffeerösterei Pforzheim‹. Alle Oberflächen des Raumes waren von einer feinen Mehlschicht überzogen. Als die Männer die Backstube dahinter betraten, machte Paulick die Soldaten auf ein paar aus dem Boden herausstehende Gewindebolzen aufmerksam: »Achtung, fallen Sie nicht darüber! Hier standen mal meine Maschinen. Alles ist jetzt weg.« Traurig setzte er sich auf einen kleinen Stuhl, der in der hinteren Ecke des gefliesten Raumes stand. »Hier haben sie kurz nach Ostern auch unsere erwachsene Tochter, eine Kusine und meine Nichte vergewaltigt. Acht Männer in diesen seltsamen Mänteln. Die Kinder mussten alles mit ansehen. Es war furchtbar.« Er fing an zu heulen, putzte sich umständlich die Nase und wischte die Tränen aus den Augen.
    »Diese Marokkaner behandeln uns wie wilde Tiere. Ich weiß noch, wie sie am Ostersonntag in den Ort marschiert sind. ›Hussa, Bassa, Issassa‹ haben sie immer wieder gesungen. Das werde ich niemals vergessen. Anschließend haben sie Neudorf und Graben geplündert und fast alle Frauen und Mädchen geschändet. Zum Glück haben sie wenigstens die Frauen mit Kindern auf dem Arm verschont.« Der Bäcker wurde wieder von einem Weinkrampf geschüttelt.
    Die Amerikaner standen betreten herum, Letchus zündete sich eine seiner Zigarillos an und rauchte schweigend.
    Nach einigen Minuten der Stille räusperte sich Edwards und sprach die beiden alten Männer an: »Heute Abend hätten Sie die Gelegenheit, sich bei den Franzosen zu revanchieren. Nicht an allen, aber an denen, die hier illegalen Frauenhandel treiben und mit gebrauchten Wehrmachtswaffen handeln. Helfen Sie uns dabei?«
    Willi Hauff und August Paulick starrten die Amerikaner an.
    »Ist das Ihr Ernst? Wir sollen die Franzosen angreifen?«
    »Nein, nicht angreifen. Still und leise heute Abend ein paar Gefangene machen und an die US-Militärpolizei übergeben.«
    »Hier in Neudorf?«
    »Ja, bei der kleinen Kapelle.«
    »Aber es gibt eine Straßensperre der Franzosen. Sie können da nicht hinfahren. Das fällt doch sofort auf.«
    »Deswegen brauchen wir Sie! Sie und Ihre Freunde aus Neudorf. Wenn es schiefgeht, bekommen wir alle großen Ärger oder werden sogar erschossen. Wenn es klappt, sind wir Helden.«
    »Was haben Sie denn vor, Mister Edwards? Wen wollen Sie gefangen

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