Tschoklet
nehmen?« Der Konditor und der Brandmeister wurden neugierig. Der Captain informierte die beiden alten Männer, so gut er konnte, über seinen Plan. Anfänglicher Widerstand wich Abenteuerlust und Draufgängertum. Nach zehn Minuten besiegelten die sechs ihr Vorhaben mit einem Handschlag und einer gemeinsamen Zigarette im Hof der Bäckerei. Sogar der Brandmeister als Nichtraucher paffte eine mit.
Als sie wieder über das Ladengeschäft auf die Straße treten wollten, lief auf der gegenüberliegenden Seite gerade eine französische Patrouille vorbei und schaute misstrauisch herüber.
Geistesgegenwärtig begann August Paulick hysterisch, die Amerikaner anzuschreien: »Sie können das nicht mitnehmen, das ist ein Souvenir von meiner Mutter! Lassen Sie mir wenigstens ein Stück davon da!«
Letchus zückte die Thompson und wedelte vor dem Bäcker damit herum. Auf französisch rief er: »Hauen Sie ab, sonst schieße ich!«, und trieb den Konditor zurück in seinen Laden. Um seinen Worten mehr Überzeugungskraft zu verschaffen, trat er gegen die auf dem Boden liegenden Bretter, sodass diese laut krachend durch den kleinen Raum polterten.
Willi Hauff lugte durch einen Schlitz im Rollladen nach draußen. »Sie sind weg. Lassen Sie uns noch kurz warten. Herrje, das war knapp!« Dann nahm er Letchus am Uniformärmel und schob ihn zurück auf die Straße. »Kommen Sie, wir gehen kurz nach gegenüber zum ›Storchennest‹, da war mal eine Zigarrenfabrik drin. Dort gibt’s vielleicht noch Zigarren, die besser sind als Ihre komischen Glimmstängel.«
Tatsächlich hatte der älteste Enkel des Fabrikanten noch ein paar Kisten über den Krieg und an den Franzosen vorbei retten können. Gegen den Tausch von Kaffeepulver und Corned-Beef in Dosen, welches Letchus aus dem Dodge holte, ließ er sich eine kleine Pappschachtel mit fünfundzwanzig dünnen Zigarillos abschwatzen. Letchus war glücklich.
Anschließend gingen die Amerikaner zurück zu ihren Fahrzeugen und informierten die anderen beiden über die geplante Aktion am Abend. Letchus setzte sich gleich ans Funkgerät und sandte dem Master Sergeant in Schwetzingen eine verschlüsselte Nachricht. Roebuck schüttelte nur noch den Kopf.
»You are crazy! {11} «
Kapitel 16
Verdammter Mist! Ich glaube, die Wunde hat sich entzündet. Das sieht aber gar nicht gut aus. Riecht auch komisch. Ich muss mich von irgendeinem Arzt behandeln lassen. Hoffentlich wird’s nicht noch schlimmer. Ich hätte die verdreckte Uniform früher ausziehen sollen.
*
Ein lange Reihe von etwa dreißig schwarz gekleideten Personen trottete langsam durch die abendliche Dämmerung in Richtung der kleinen Kapelle zwischen den Feldern. Ein melodiöses Kirchenlied wiederholte sich immer wieder und die Leute sangen leise im Nieselregen vor sich hin. Die französischen Wachmänner der Straßensperre starrten der Prozession aus einiger Entfernung hinterher, ahnten jedoch nicht, was hier passierte, denn mit den religiösen Gepflogenheiten der ungläubigen Zivilbevölkerung hatten sie sich noch nicht beschäftigt. Es war ihnen auch relativ egal. Hauptsache, sie verhielten sich ruhig.
Die Leute verschwanden singend in der kleinen Marienkapelle, ein paar von ihnen blieben vor der Tür stehen. Aufgrund der einbrechenden Dunkelheit und der schlechten Witterung konnte man die Leute kaum erkennen. Die Franzosen bemerkten daher nicht, dass sich von der anderen Seite über den Feldweg ein kleiner, unbeleuchteter Militärlastwagen langsam dem Kirchlein näherte und davor hielt. Zwei dunkelhäutige Soldaten sprangen von der Ladefläche und ein Offizier stieg aus dem Fahrerhaus, um auf den deutschen Waffenschieber Edgar Kohler zu warten.
In der heruntergekommenen Kapelle brannten ein paar Kerzen und in dem Schummerlicht sah es so aus, als fände gerade eine Art Gottesdienst statt. Einige dunkle Gestalten standen durchnässt vor der Kirche, rauchten eine Zigarette und unterhielten sich leise murmelnd.
Die drei nervösen Franzosen kümmerten sich nicht um die Raucher, sie warteten nur ungeduldig unter den zwei großen Linden, die vor der Kapelle standen. Dicke Tropfen aus dem Blätterdach durchnässten den Lastwagen und die Motorhaube dampfte.
Nach etwa zehn Minuten waren die deutschen Kontaktleute noch immer nicht aufgetaucht, lediglich der Gottesdienst war zu Ende und die knapp fünfzehn schwarz Gekleideten strömten wieder singend aus der Kapelle heraus und um den Lastwagen herum. Einer der Gläubigen kam dem
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