Tschoklet
Kameraden.
Christine saß derweil warm eingepackt im Fond des Dodge und schlief. Vermutlich hatte sie sich einige Tage zuvor in der kalten Zugluft erkältet, denn sie hatte leichtes Fieber und gelegentlichen Schüttelfrost. Roebuck hatte ihr heißen Tee und Dosenkekse hingestellt, falls sie später erwachen würde und hungrig wäre.
Die morgendliche Besprechung unter den Soldaten verlief locker und ausgelassen. Letchus und van Bouren hatten sich bei der Verhaftungsaktion am Vorabend die Uniformen verschmutzt, da sich der festgenommene Offizier der Kolonialfranzosen vor lauter Angst in die Hosen gemacht hatte, als man ihn in Hockenheim abermals nach Waffen durchsuchte. Dabei ging einiges daneben.
Kurz vor Mitternacht waren sie dann wieder zurück in Neudorf gewesen. Der Lastwagenfahrer wollte wegen des Panzers nicht noch einmal so nahe an die fremde Straßensperre fahren, deshalb mussten sie am Ende einige Kilometer querfeldeinlaufen.
Van Bouren hatte sich in einem Kaninchenloch den linken Knöchel verletzt, so humpelte der eine, während der andere mit fremden Exkrementen an der Hose Richtung »Heimat« marschierte. Gut, dass dem ungleichen Pärchen im Ort niemand begegnete. Einige Leute hatten sicherlich durch die geschlossenen Fensterläden geschaut und sich gewundert. In manchem Hinterhof bellte ein Hund und als eine Katze fauchend über die Straße rannte, war Letchus kurz abgelenkt, sah in die falsche Richtung und stieß mit dem Kopf gegen einen der schiefen Telegrafenmaste, die in regelmäßigen Abständen an den Hauswänden standen. Er hätte schwören können, dass dieser bei Tageslicht noch nicht da war.
Schimpfend und mit blutender Nase saß er jetzt auf der staubigen Straße und drohte der Telefongesellschaft in seinem New Yorker Slang mit dem Einsatz der Artillerie und Tieffliegern. Van Bouren bekam daraufhin einen Lachanfall, verschluckte sich dabei so sehr, dass er einen nicht enden wollenden Husten bekam. Als sie zehn Minuten später zu dem Lagerplatz kamen, musste er sich nach wie vor alle paar Sekunden räuspern . So einen nächtlichen Krach hatten die Neudorfer schon lange nicht mehr erlebt.
An diesem Morgen waren die beiden Senioren Hauff und Paulick wieder zu ihnen auf die Wiese gekommen, die ein freundlicher Bewohner aus der Luisenstraße neben seinem Haus für die Amerikaner zur Verfügung gestellt hatte.
»Wissen Sie, letzte Nacht waren so seltsame Geräusche auf der Hauptstraße: eine Wachpatrouille war anscheinend betrunken unterwegs in Richtung ihrer Unterkünfte. Die Anwohner haben sich richtig gefürchtet. Das gab’s früher noch nie!«
Edwards sah den Funker und den Kanonier streng von der Seite an. »Letchus, Sie sagten doch, es wäre alles glattgelaufen auf dem Rückweg?«
»Ja, Captain, fast.« Letchus grinste van Bouren an. »Ich bin im Dunkeln gegen so ’nen blöden Holzmast gelaufen. Der war gestern Mittag noch nicht da, ich schwör’s!«
Van Bouren fing wieder an zu lachen. »Holz an Holz. Hat laut tock gemacht. Und dann dieser Gestank!« Der Funker klopfte sich vergnügt auf die Schenkel. »Die Fliegen fielen tot vom Himmel, nicht wahr, Amos?«
»Wir mussten nur wegen dir langsam machen!«
»Ich weiß. Tut mir leid. Der blöde Fahrer aus Schwetzingen hat mitten im Acker gewendet und uns rausgeschmissen. Wegen des Shermans hat er sich nicht näher rangetraut. Und ich trete dann zehn Meter vor dem ersten Haus in so ein verdammtes Kaninchenloch!«
Paulick sah den Captain ernst an. »Entschuldigung. Heute Morgen um fünf wurden der neu ernannte Bürgermeister und sein Stellvertreter mit ihren Familien von den Franzosen aus den Häusern geholt und verhört. Einer ihrer Wachoffiziere ist gestern Abend nicht zum Dienst erschienen. Man vermutete eine Straftat. Der Stellvertreter wurde von den Marokkanern krankenhausreif geschlagen und musste ein Geständnis unterschreiben.«
»Sollen wir uns bei den Leuten entschuldigen?«
»Nein, nein. Wenn wir wieder etwas mehr Ruhe haben, war es das wert.«
»Tut mir leid. Das wollten wir nicht«, er wandte sich von Paulick zu Vickers. »Wir müssen hier verschwinden, bevor noch Schlimmeres passiert.« Dann sah er wieder den Bäcker an. »Können wir noch etwas für Sie tun? Wir wollen demnächst weiter.«
»Sie haben so viel für uns getan. Vielen Dank!«
»Sagen Sie mir nur noch eins: In Graben soll es ein Schwesternhaus geben. Wo ist das genau?«
»Ein Schwesternhaus? In Graben? Nein, nicht, dass ich wüsste. In Neudorf gab es
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