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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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zweiundsiebzigjährige Justus lag zusammengekrümmt im Schmutz und stemmte seine Hände in die Hüfte. Sein kariertes Oberhemd und die Hose waren bereits blutgetränkt. Zwischendurch sah er Joey mit einem schiefen Grinsen an, bevor er wieder eine schmerzverzerrte Grimasse zog.
    »Mich hat’s erwischt!« Er zog die Atemluft zischend durch die Zähne ein.
    Eine Frau mit Kopftuch und verfilzten braunen Locken erschien in der Haustür, die Kinder umklammerten ängstlich ihre Schürze. Die drei sahen verunsichert und schweigend auf den verletzten Mann und den Soldaten hinunter.
    Vickers blickte die Frau an, setzte sich langsam auf und klopfte sich die Jacke ab. Dann kroch er hastig zu Justus und untersuchte dessen Rücken, dabei fielen ihm das Rohrstück und die Schraube klimpernd aus der Tasche. Justus bemerkte dies, zeigte ihm den nach oben gereckten Daumen und lächelte gequält.
    Als Vickers dessen Hemd hochschob, fand er ein stark blutendes Einschussloch, nur wenige Zentimeter von der Wirbelsäule entfernt. Er desinfizierte die Wunde mit einem Pulver, das er immer in seiner Beintasche für solche Verwundungen vorrätig haben musste. Justus krümmte sich wieder und hustete. Verzweifelt versuchte Joey, ihm die Wunde mit dem Halstuch abzudrücken, doch es kam so viel Blut heraus, dass dies nicht gelang. Jedes Mal, wenn der alte Mann wieder hustete, ergoss sich ein neuer Schwall durch seine Finger und den Lappen hindurch. Vickers liefen die Tränen übers Gesicht, denn er wusste nicht, was er unternehmen sollte, um die Blutung zu stoppen. Wäre Piece da gewesen, hätte er sofort helfen können. Wer konnte denn ahnen, dass die Franzosen sofort schießen würden?
    Justus Maier hustete und drehte sich auf den Rücken. Er packte Joeys rechte Hand, drückte sie fest und sah ihm in die Augen. Nach wenigen Sekunden stöhnte er: »Sagen Sie meiner Frau, dass ich nicht zum Abendessen kommen kann. Sagen Sie ihr, in welchem Zimmer ich liege.« Vickers hob den Kopf des Mannes an. Leider verstand er nichts von dem Gesagten. Der Alte hustete noch einmal und krümmte sich. »Sagen Sie meinen drei Töchtern ein Lebewohl. Ich … ich … danke Ihnen, Joey!« Dann entspannte er sich und lächelte Joey an. Seine Augen wurden starr, eine Träne lief seitlich die Wange hinunter.
    Joey beugte sich minutenlang über das Gesicht des Toten und schluchzte laut. Noch nie war jemand in seinen Armen gestorben.

Kapitel 22
     
    Nachdem der herbeigerufene Hausarzt den Tod des Justus Maier festgestellt hatte und die Leiche abtransportiert worden war, standen die Amerikaner, ein erschütterter Erich Hoffmann, zwei gleichgültig wirkende marokkanische Unteroffiziere und der evangelische Pfarrer von Eggenstein auf der Straße und diskutierten.
    Captain Edwards ließ sich nochmals beide Versionen der Geschichte erzählen. Von Vickers die Wahrheit und von den Franzosen eine haarsträubende Variante davon. Letchus versuchte mehrmals, die Tatsachen klarzustellen, doch davon wollten die Besatzer nichts wissen. Herr Maier wurde erschossen, als er versuchte, Kohlen von einem Zug zu stehlen. Schluss. Aus. Keine Diskussion.
    Dass seit Januar 1945 kein Zug mehr gefahren war, man draußen momentan achtundzwanzig Grad hatte und der verwaiste Bahnhof sich mindestens dreihundert Meter weiter entfernt befand, war nicht von Interesse.
    Da die Franzosen damit gedroht hatten, die amerikanischen Fahrzeuge sofort zu beschlagnahmen und im allgemeinen, also im französischen Interesse Verstärkung aus Karlsruhe zu ordern, ließ man die Sache auf sich beruhen. Nach einer eiligen Verabschiedung und hektischen Reparatur der Halbkette fuhren die Scouts weiter über die Fernverkehrsstraße 36 nach Neureut. Der während der Instandsetzung von Roebuck noch frisch zubereitete Fisch aus Leopoldshafen wollte keinem mehr so richtig schmecken.
    Joey Vickers saß sichtlich geknickt und traurig hinterm Steuer. Gerne hätte er die Witwe des verstorbenen Justus besucht und ihr alles erzählt, doch dafür war leider keine Zeit mehr. Als er sich die Geschehnisse erneut durch den Kopf gehen ließ und vor seinem geistigen Auge der Todeskampf ablief, stützte er beide Arme auf die Lenkradspeichen und weinte leise. Wegen einer Schraube im Wert von zwei Dollar hatte ein herzensguter Mensch für ihn sein Leben geopfert.
    Edwards saß schweigend neben ihm und starrte auf die vorbeihuschenden Felder. Seine Augenlider und seine Kiefermuskeln zuckten gerade mehr denn je. Do your job!
    Am Ortseingang

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