Tsunamis - Entstehung, Geschichte, Prävention
Inselgruppe der Mentawai-Inseln vor Sumatra etwa liegt fast direkt auf dem Sundagraben; seit dem Erdbeben und Tsunami von 2004 wurde sie immer wieder von Nachbeben erschüttert. Geologen haben mittlerweile festgestellt, dass die Mentawai-Inseln seit Jahrtausenden in einem regelmäßigen Abstand von rund zweihundert Jahren von starken Erdbeben und Tsunamis heimgesucht werden. Obwohl mittlerweile ein Frühwarnsystem und eine verbesserte Infrastruktur für die Evakuierungeingerichtet worden sind, kann – wie beim Tsunami am 26. Oktober 2010 – ein Alarm für die Bewohner wegen der extrem kurzen Distanz der Inseln zum seismisch aktiven Gebiet zu spät kommen.
Schließlich können Tsunamis auch in Binnenmeeren und Seen entstehen. Auslöser sind hier vor allem Hangrutschungen, aber auch Erdbeben – etwa 1601 in der Zentralschweiz, als der Vierwaldstätter See durch ein Erdbeben zu schwingen begann und mehrere Orte an den Ufern von Tsunamis überflutet wurden – oder Vulkanausbrüche, so zum Beispiel der Megatsunami im nordamerikanischen Spirit Lake, als am 18. Mai 1980 der Mount St. Helens ausbrach. Selbst Meteotsunamis können an großen Seen auftreten, wie etwa im Michigansee.
Historische Berichte und internationale Forschung
Historische Tsunamis sind nur durch wenige schriftliche Quellen belegt. Selten gibt es vor dem 19. Jahrhundert Beschreibungen dieser Katastrophen. In seinem umfassenden Werk über den Peloponnesischen Krieg schildert aber der griechische Historiker Thukydides einen Tsunami, der 426 v. Chr. die Ägais traf (Buch 3, Kap. 89). Im Gegensatz zu den meisten antiken Katastrophenbeschreibungen wird die Naturkatastrophe hier nicht als Akt der Götter dargestellt; vielmehr bietet Thukydides in wenigen Sätzen eine geradezu naturwissenschaftliche Skizze der typischen Verbindung von Erdbeben und Tsunami sowie der verheerenden Auswirkungen auf die betroffenen Küstenstriche der Insel Euboia und des umliegenden Festlands. Der kausale Zusammenhang zwischen Erdbeben und Tsunami, in Verbindung mit dem auffälligen Rückzug des Wassers, wird hier klar benannt.
Die gleiche Abfolge, allerdings weitaus eindringlicher in der Schilderung der Katastrophe, findet sich in den
Res gestae
des römischen Geschichtsschreibers Ammianus Marcellinus, der das Erdbeben mit Tsunami im Jahre 365 n. Chr. im östlichen Mittelmeerraum beschreibt (siehe S. 52). In Japan, dem am meisten von Tsunamis heimgesuchten Land der Erde, finden sich seitdem 7. Jahrhundert immer wieder Aufzeichnungen über Tsunamis und ihre Auswirkungen in Chroniken und anderen schriftlichen und künstlerischen Quellen.
Sehr viel genauere Rückschlüsse aus weit zurückliegenden Ereignissen lassen sich jedoch aus geologischen Daten ziehen: Bohrkerne bieten die Geschichte von vielen tausend Jahren und ermöglichen die genaue Identifizierung von Tsunamis durch Ablagerungen und auffällige Sedimentschichten. Auch in der Küstenlandschaft finden sich noch nach Millionen von Jahren Spuren von Tsunamis: Neben spezifischen Ablagerungen sind dies isolierte Erhöhungen und Gratlinien, tief eingebettete Dünen und, am augenfälligsten, einzelne Fels- und Korallenblöcke, die durch Tsunamis ins Land versetzt wurden. Spezielle Formen der Gesteinserosion können ebenfalls Aufschluss über weit zurückliegende Katastrophen geben; gleichermaßen Korallen, bei denen sich durch regelmäßige Hebung des Meeresbodens aufgrund von Erdbeben «Jahresringe» wie bei einem Baum gebildet haben (so vor den Mentawai-Inseln). Auch die Küstenform selbst gibt mitunter Auskunft über vergangene Tsunamikatastrophen. So lassen sich in der weltweiten Zusammenarbeit zwischen Forschern nicht nur historische Rätsel lösen, sondern vor allem auch Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse ziehen.
Die früheste wissenschaftliche Beschreibung eines Tsunamis erfolgte 1868 durch den Geowissenschaftler Ferdinand von Brandstetter in seinem Aufsatz
Ueber das Erdbeben in Peru am 13. August 1868 und die dadurch veranlassten Fluthwellen im Pacifischen Ozean
. Doch erst in den letzten sechzig Jahren hat sich die Tsunamiforschung zu einem breiten, in seinen Einzelbereichen hochspezialisierten Gebiet entwickelt. Wesentliches Anliegen ist es, die geophysikalischen Prozesse in Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen, um Voraussagen präzisieren, Warnsysteme verbessern und zuverlässige Evakuierungsstrategien entwickeln zu können.
Eine im wahrsten Sinne des
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