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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Stadt schweigt. Die Wirte und die Dirnen werden verhungern, wenn nicht bald etwas geschieht. Drei Sklavenhütten sind niedergebrannt. Nar und Janhe waren einkaufen, haben einen großen Fisch gebracht, der morgen auf den Tisch kommt. Fard hat im Garten gearbeitet. Das ist alles, Herr!«
    »Gut, Shechta!« sagte Anhetes zufrieden.
    Auben war eine siebzehnjährige Sklavin, die Anhetes vor sechs Monaten auf dem Hafenmarkt erstanden hatte. Sie war teuer gewesen. Auben war Angehörige des fremden, kriegerischen Stammes Ilen, der einen ständigen Unruheherd an der Grenze darstellte. Die königlichen Truppen mußten von Zeit zu Zeit Ruhe schaffen. Von einem dieser Züge war Auben mitgebracht worden.
    Sie besaß das ungezügelte Temperament einer Wildkatze und das Aussehen einer hellhäutigen Palastsklavin. Ihr langes, schwarzes Haar war es gewesen, das, zusammen mit dem hellwachen Blick, den Baumeister gefesselt hatte.
    Nar und Janhe waren Sklaven, denen die Arbeiten im Haus oblagen. Sie lebten seit drei Jahren bei Anhetes. Fard hingegen war ein anderer Fall. Shechtas Stimme unterbrach die Überlegungen des Baumeisters.
    »Es ist noch zu früh für die Sterne, Herr, nicht wahr?« fragte er.
    Anhetes nickte schweigend.
    Er sah nach der Wasseruhr. Die Tropfen fielen rhythmisch in ein Becken. War es voll, kippte es und schlug einen Gong an. Gleichzeitig rollte eine weiße Kugel in eine andere Schale. Neun Kugeln lagen darin – es war in der zehnten Stunde nach Mittag.
    Fard war anders – ganz anders. Sie war ein Geschenk Tot-meres'. Der König hatte fünf Jahre nach seiner Thronbesteigung damit begonnen, den Turm seiner Seele zu bauen. Er hatte Anhetes holen lassen und mit ihm gesprochen.
    Auben kam in den Raum, warf einen langen Blick auf Anhetes und begann das Geschirr und die Speisereste wegzuräumen. Auch hier im Haus war es so still wie in Zokesh draußen, von einigen halblauten Gesprächsfetzen abgesehen. Der Todeskampf des Sonnenkönigs war allgegenwärtig. In allen Häusern warteten die Menschen auf das Kommen des Kaiadlers, auf das Erlöschen des Feuers und die Fanfarensignale. Die schwarzhaarige Sklavin verließ das Zimmer. Langsam senkte sich das Wasserbecken und ergoß seinen Inhalt in eine Schale. Der Gong ertönte, eine Kugel fiel; die zehnte Stunde.
    Fard, das Geschenk des Königs ...
    Ein Jahr nach Baubeginn – der Turm stand bereits im Rohbau, und die Rampen wurden teilweise abgetragen – rief Tot-meres den jungen Baumeister wieder zu sich. Anhetes kam, und zwischen beiden Männern stand das Modell des Totenturmes. Bewundernd ruhte der Blick des Königs auf dem steinernen Spielzeug. Er dankte dem Baumeister und klatschte dann in die Hände. Zwei Sklaven schlugen einen Vorhang zur Seite, und eine dunkelhäutige Sklavin von erregender Schönheit trat in den Raum.
    »Dies ist mein Geschenk für dich, Baumeister Anhetes. Du wirst es in Ehren halten?« fragte Tot-meres lächelnd. Anhetes verneigte sich stumm.
    »Ich werde es, Sonnenkönig!«
    »Nach meinem Tode wird einer der Schreiber verkünden, was ich als weiteren Lohn für deine Arbeit gedacht habe. Grüße deinen Vater – Fard wird heute nacht in dein Haus gebracht werden.«
    Anhetes dankte und zog sich verwirrt zurück.
    Und seit dieser Zeit lebte Fard an der Seite Anhetes in dessen Haus. Sie war Palastsklavin gewesen, und das bedeutete, daß sie Erziehung, Wissen und Sinnlichkeit in sich vereinigte. Anhetes war bemüht, seine Gunst zwischen ihr und Auben gleichermaßen zu verteilen, aber meist trug Fards Klugheit den Sieg davon. War Auben eine Wildkatze, so erschien Fard wie ein Panther, der seine Kräfte raffiniert abwog.
    »Zeit für die Sterne!« mahnte Shechta leise.
    Nachdem der Mond sein gelbes Licht auf die Stadt geworfen und sich der kalte Wind vom Coserufer erhoben hatte, erschienen jetzt auch die Sterne am pechschwarzen Himmel. Die Sterne, denen Anhetes sein Leben geweiht hatte. Sie sahen unbeteiligt hinunter auf Zokesh und den prächtigen Palast, dessen Hallen leer und dunkel waren. Nur an wenigen Stellen erhellten Schalen glimmender Holzkohle oder in Wandringen steckende Fackeln die Wände und die Ornamente der Decken.
    Die Sterne sahen auch die Männer, die eben von der breiten Holztreppe aus das Dach des Hauses betraten.
     
    *
     
    Die Aktion der vollkommenen Maschine erfüllte zwei Bedingungen: Während der Körper von der Eiseskälte in ihrem erbarmungslosen Griff gehalten wurde und tatsächlich ohne jedes Leben war, arbeitete der Geist

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