TTB 105: Das große Abenteuer des Mutanten
haben zehn mal zehn Jahre dort am großen Fluß gelebt und kennen ihn gut. Oft genug wechselt er seinen Lauf. Die Alten haben versucht, ihn auf seinem Kurs zu halten, aber diese Kunst ist auch verlorengegangen, wie so vieles andere ...«
»Wenn ihr von den Ufern jenes Flusses hierher geritten seid, so habt ihr eine weite Strecke zurückgelegt«, bemerkte Fors. »Was hat euch so weit nach Osten gebracht?«
»Nun, was treibt Prärieleute umher? Das Fernweh ist uns angeboren. Seit vor zwei Jahren unser Großer Häuptling starb und Cantrul dieses Amt übernahm, Cantrul, den es seit jeher in ferne Länder gezogen hat, haben wir viel gesehen, von den großen Wäldern im Norden, wo der Schnee so hoch liegt, daß man Netze aus Leder machen und sie unter die Hufe der Pferde binden muß, damit sie nicht einsinken, bis zu den Sümpfen im Süden, wo schuppige Wesen in den Flüssen leben, die den unaufmerksamen Trinker ins Wasser ziehen. Seht her ...«
Er nahm die Lampe vom Haken und zog Fors mit sich in den Hintergrund des Zeltes. Hier waren Karten aufgestapelt, Karten und Bilder, so lebendig, daß der Bergbewohner vor Erstaunen keuchte.
»Das ...« Fors holte tief Luft. »Das ist ein weit größerer Schatz, als der, den das Sternhaus birgt. Wenn nur Jarl und die anderen das sehen könnten!«
Der Rechtshüter fuhr mit dem Finger den Rahmen der Karte entlang, die er in der Hand hielt.
»Höchstens zehn von unseren jungen Leuten interessieren sich für diese Dinge. Die übrigen – nun, sie essen und kämpfen, reiten und jagen, zeugen einen Sohn, der nach ihnen lebt, und das ist alles. Nur ganz wenige bemühen sich, die alten Wege wieder zu beschreiten, das wiederzufinden, was in jenen Unglückstagen verlorengegangen ist. Bruchstücke und Einzelheiten finden wir, hier einen Hinweis, da einen Fetzen, und versuchen, daraus ein Ganzes zu weben.«
»Spräche Marphy die volle Wahrheit«, ließ sich nunmehr die scharfe Stimme des Medizinmannes vernehmen, »so müßte er hinzufügen, daß dies alles« – seine Geste umfaßte die Bilder, die Karten, die Bücher – »ihm zu verdanken ist. Er ist immer wissensdurstig gewesen und hat dies seit seiner Berufung zum Hüter der Bücher geschaffen.«
Der Rechtshüter machte ein verlegenes Gesicht und lächelte scheu. »Sagte ich nicht, daß uns das Fernweh angeboren ist? Nun, bei mir drückt es sich eben so aus. Und bei dir, Fanyer, wieder anders. Du möchtest uns am liebsten aufschneiden und sehen, was unter unserer Haut steckt.«
»Möglich, möglich. Zu gern wüßte ich zum Beispiel, was unter der Haut dieser beiden steckt, die das Explosionsgebiet durchquert haben und trotzdem kein Zeichen der brennenden Krankheit tragen ...«
»Ich dachte«, sagte Arskane rasch, »diese Geschichte glaubt ihr nicht!«
Fanyer sah ihn mit zusammengezogenen Brauen an. »Nun – vielleicht glaube ich sie nicht. Aber wenn sie stimmt, ist es das größte Wunder, von dem ich je gehört habe. Sag mir, wie ist alles geschehen?«
Arskane lachte. »Nun gut, erzählen wir unsere Geschichte. Aber sie gehört nur zur Hälfte mir, und darum werden wir sie gemeinsam erzählen.«
Im Licht der Öllampe saßen Wächter und Gefangene auf runden Kissen, erzählten, lauschten. Als Fors schließlich endete, streckte sich Marphy und schüttelte sich.
»Ich glaube, dies ist die Wahrheit«, sagte er ruhig. »Und es ist eine tapfere Geschichte, wert, ein Lied darüber zu machen.«
»Sage mir«, wandte sich Fanyer plötzlich an Fors. »Du bist zum Suchen nach Wissen erzogen. Was hat dich an dieser Reise am meisten überrascht?«
Fors brauchte nicht lange zu überlegen. »Daß die Tierwesen sich aus ihren Höhlen ins offene Land vorwagen, denn das haben sie noch nie getan. Und das kann Gefahr bedeuten ...«
Marphy und Fanyer sahen sich bedeutungsvoll an. Dann erhob sich der Medizinmann und trat energisch in die Nacht hinaus.
Es war Arskane, der die eintretende Stille mit einer Frage unterbrach. »Sage mir, Erforscher der Vergangenheit, warum haben uns eure Krieger gefangengenommen? Warum zieht ihr gegen mein Volk zu Felde? Wir sind friedliebende Menschen und tun niemand etwas zuleide.«
Marphy räusperte sich, als wolle er Zeit gewinnen. »Wohl wahr«, nickte er dann. »Aber die Sehnsucht nach Kampf mit dem Fremden ist unser Fluch. Wir hören, daß eine Tagereise nach Süden eine neue Stadt entsteht. Fremde bauen sie, mit dunkler Haut, Leute, die wir nicht verstehen, die nicht von unserem Blut sind. Der Stamm
Weitere Kostenlose Bücher