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TTB 106: Der dritte Planet

TTB 106: Der dritte Planet

Titel: TTB 106: Der dritte Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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die Rolle in den Projektor und schaltete das Licht aus.
    Als der zitternde, milchige Lichtstrahl erschien und Bilder auf die Leinwand warf, ließ er sich mit müdem Seufzen in einen Sessel fallen.
    Ein magerer Mann mit dunklem Bart trat auf, mit gekreuzten Armen und weißen Zähnen. Er trat näher an den Apparat heran. Ein Sonnenstrahl machte das Bild eine Sekunde lang verschwommen. Die Leinwand wurde schwarz. Ein Titel leuchtete auf: Ein Bild von mir.
    Wieder der Mann mit hohen Backenknochen und hellen Augen. Stumm lachend stand er auf dem Film. Er wies zur Seite, und die Kamera schwenkte herum. Lindell richtete sich mit einem Ruck auf.
    Es war die Station.
    Offenbar war es Herbst. Als die schwenkende Kamera ein paar Bäume erfaßte, sah Lindell, daß sie von Haufen welker Blätter umgeben waren.
    Abermals wurde die Leinwand schwarz, und ein anderer Titel erschien darauf. Jeff im Büro.
    Der Mann blickte in die Kamera und lächelte idiotisch dabei. Sein makellos geschnittener Bart stach scharf von der weißen Haut ab.
    Abblenden – Aufblenden.
    Der Mann tanzte in dem leeren Lagerhaus umher, die Hände in der Luft, und sein schwarzes Haar wehte hinterher.
    Ein neuer Titel erschien auf dem Schirm, und Lindell stockte der Atem.
    Titel: Liebling.
    Dort war ihr Gesicht. In Schwarzweiß wirkte es besonders abstoßend. Sie stand an seinem Schlafzimmerfenster, ihr Gesicht eine Maske des Entzückens. Jetzt wußte er, daß es Entzücken bedeutete. Früher einmal hätte er gesagt, sie sähe wie eine Geisteskranke aus mit dem verzerrten kleinen Mund und den grotesken, starrenden Augen.
    Sie drehte sich, und ihr Morgenrock wirbelte herum. Er sah ihre dicken Fesseln, und sein Magen krümmte sich.
    Sie näherte sich der Kamera; hauchdünne Lider glitten über ihre Augen. Seine Hände begannen heftig zu zittern.
    Es war sein Traum, und er bereitete ihm Übelkeit. Bis in alle Einzelheiten war es sein Traum. Aber es war kein richtiger, seinem Gehirn entsprungener Traum gewesen.
    Ein schluchzender Laut entrang sich seiner Kehle. Sie fing an, ihren Morgenrock auszuziehen. Ja, so war es! schrie es in seinem panisch entsetzten Gehirn. Mit unsicherer Hand suchte er nach dem Schalter des Projektors.
    Nein.
    Ein kaltes Kommando aus der Dunkelheit. Sieh mich an, befahl sie weiter. Er saß wie vor Schrecken erstarrt und sah, wie der Morgenrock vom Hals über die runden Schultern glitt. Sie wand sich sinnlich. Der Morgenrock fiel raschelnd auf den Fußboden.
    Er schrie auf.
    Er schlug mit einem Arm in den Projektor, der auf den Fußboden krachte und erlosch. Sofort war es stockdunkel im Raum. Er suchte nach der Tür, fand sie, stürzte in die Diele. Aber im Halbdunkel stand sie dort, und ihr Morgenrock hing nur noch auf einer Schulter.
    Er blieb stehen. »Verschwinde hier!« brüllte er.
    Nein.
    Er machte eine krampfhafte Bewegung auf sie zu und streckte die Hände nach ihr aus. Der Anblick ihrer rosafarbenen feuchten Haut ließ ihn zurückweichen.
    Ja? drängte ihr Gehirn. Ihm war, als ob er es von einer sich langsam hebenden Stimme gesprochen hörte.
    »Paß auf!« rief er und griff nach der Tür zu seinem Zimmer. »Du mußt gehen, verstehst du? Geh zu deinem Mann!«
    In äußerstem Schrecken prallte er zurück.
    Ich bin gerade jetzt bei ihm, war ihre Antwort.
    Der Gedanke lähmte ihn. Er starrte mit weit offenem Munde und heftig schlagendem Herzen und sah, wie der Morgenrock weiter über die Schultern und Arme rutschte.
    Dann fuhr er mit einem Schrei herum, sprang in sein Zimmer zurück und schloß die Tür hinter sich. Seine Finger zitterten, als er am Schloß herumfummelte. Er wimmerte vor Angst und Übelkeit und wußte, daß alles, was er tat, zwecklos war, weil er sie gegen ihren Willen doch nicht ausschließen konnte.
    Ihm war, als ob Affen in seinem Gehirn schnatterten. Sie lagen in einem Kreis auf dem Rücken und traten mit den Füßen gegen seine Schädeldecke.
    Stöhnend wälzte er sich auf die Seite. Ich werde wahnsinnig, dachte er. Wie Corrigan, wie alle außer dem ersten, der damit anfing, sie Liebling zu nennen.
    Plötzlich richtete er sich entsetzt keuchend auf und starrte zum Fußende des Bettes. Sie kommt durch die Wände! – schrie es in seinem Gehirn. Zu sehen war nichts. Seine Finger krallten sich in die Betten. Schweiß tropfte ihm von den Augenbrauen und lief die Nase entlang.
    Er legte sich hin. Fuhr wieder auf! Er wimmerte wie ein verängstigtes Kind. Eine schwarze Wolke fiel über ihn. Sie. Sie. Er stöhnte.

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