TTB 106: Der dritte Planet
Plötzlich fühlte er sich allein und frei und sah sich um. Er stand auf und blickte aus dem Fenster. Draußen sah er sie mit einem Korb am Arm irgendwohin gehen. Sie wird Gemüse besorgen, dachte er. Aber weshalb war sie so plötzlich gegangen?
Natürlich. Die Pistole. Sie mußte seine gewalttätigen Gedanken empfangen haben.
Er seufzte und beruhigte sich ein bißchen, da sein Gehirn nun frei von fremden Gedanken war.
Ich habe noch genug Trümpfe in der Hand, dachte er.
Er beschloß, in ihr Zimmer zu gehen und zu versuchen, das drehbare Wandbrett zu finden, das es ihr möglich machte, mit den Blumen heimlich in sein Zimmer zu kommen. Er lief durch die Diele und stieß die Tür zu ihrem spärlich möblierten, kleinen Zimmer auf.
Sofort drang ihm der Geruch eines stinkenden Haufens von purpurfarbenen Blumen in einer Zimmerecke in die Nase. Er hielt sich eine Hand über Mund und Nase, während er angewidert auf die Blumen starrte.
Was sollten sie nur bedeuten, fragte er sich. Wollte sie damit seine Zuneigung gewinnen? Seine Kehle zog sich zusammen. Oder war es noch mehr? Er schnitt eine Grimasse bei diesem Gedanken und mußte an den ersten Abend hier denken, als er sie Liebling nannte. Wie war er nur daraufgekommen, ausgerechnet diesen Namen zu wählen.
Auf der Couch fand er einen Haufen von allerhand Kleinigkeiten, Knöpfe, zerrissene Schnürsenkel, das Stück zerknüllten Papiers, das sie auf sein Geheiß hatte wegwerfen sollen. Und eine Gürtelschnalle, in die die Initialen W. C. eingeprägt waren.
Bewegliche Wandbretter gab es nicht.
Er saß in der Küche und starrte in eine unberührte Tasse voll Kaffee. Es gab keinen Weg außer der Tür, in sein Zimmer zu gelangen. W. C. – William Corrigan.
Die Zeit verging, und plötzlich erkannte er, daß sie wieder im Haus war. Er hatte kein Geräusch gehört; es war wie die Rückkehr eines Geistes. Jedenfalls wußte er es. Eine Wolke von Gefühlen zog vor ihr her und schien den Raum zu durchsuchen wie ein aufgeregter junger Hund. Gedanken wirbelten umher. Bist du gesund? Bist du nicht mehr wütend? Liebling ist zurück – alles hastig auf ihn eindringend.
Sie kam so schnell in den Raum gefegt, daß er zusammenzuckte und die Kaffeetasse umwarf. Die heiße Flüssigkeit spritzte ihm über Hose und Hemd, als er aufsprang und dabei auch den Stuhl umkippte.
Sie setzte den Korb ab, nahm ein Handtuch und rupfte die Kaffeeflecken trocken. Noch nie war sie ihm körperlich so nahe gekommen. Abgesehen von dem Händeschütteln bei seiner Ankunft hatte sie ihn nie berührt.
Sie verbreitete ein Aroma, das ihm das Atemholen schwermachte. Und während der ganzen Zeit streichelten ihre Gedanken zärtlich sein Gehirn, wie ihre Hände seinen Körper zu streicheln schienen.
Ja ... Ja ... ich bin ja bei dir.
David, Liebster.
Fast entsetzt starrte er auf ihre schwammige, rosafarbene Haut, ihre riesigen Augen, ihren winzigen Mund.
Im Büro machte er an diesem Vormittag im Tagebuch drei grobe Fehler, riß die Seite heraus und schleuderte sie zusammengeknüllt mit einem Wutschrei durch den Raum.
*
Geh ihr aus dem Weg! Es hat keinen Sinn, ihr Vorwürfe zu machen. Wenn er sein Gehirn völlig entspannte, würden ihre Gedanken vielleicht hindurchfließen, ohne Halt zu finden. Womöglich nahmen sie einen Teil seines Willens mit sich, aber darauf mußte er es ankommen lassen.
Und wenn er schwer arbeitete und seinen Kopf mit langweiligen Zahlenreihen vollstopfte, wurde sie dadurch entfernt gehalten, und seine Hände brauchten nicht mehr so aufgeregt zu zittern.
Vielleicht könnte ich im Büro schlafen, überlegte er. Dann fand er Corrigans Notiz.
Es war ein Zettel, der im Stations-Tagebuch lag, und den er bisher übersehen hatte. Er fand ihn jetzt nur, weil er Seite für Seite umblätterte und jedesmal die Daten mit lauter Stimme nannte, um sein Gehirn zu beschäftigen.
Gott helfe mir! stand in schwarzen, wirr durcheinanderlaufenden Buchstaben auf dem Zettel. Liebling kommt durch die Wände!
Lindell starrte auf den Zettel. Ich habe es selbst gesehen, bestätigten die Worte. Ich schnappe über! Immerzu ziehen und zerren diese gemeinen Gedanken an mir. Und nun kann ich mich nicht einmal vor ihrem Körper in Sicherheit bringen. Ich habe hier draußen geschlafen, und irgendwie hat sie es geschafft, auch hier hereinzukommen. Und ich ...
Lindell las es noch einmal, und seine Angst wurde größer. Durch die Wände! Die Worte marterten ihn. War das möglich?
Corrigan hatte sie
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