TTB 106: Der dritte Planet
zottigen Mähne. Er schlägt mit dem Kolben seines Gewehrs zu.
Ein Aufschrei. Die breite Pranke fährt über das Gesicht und hinterläßt eine blutige Masse. Das Brüllen des Raubtiers erfüllt die Nacht.
Ein rotäugiger Elefant trampelt durch den Schlamm, umschlingt Männer mit seinem Rüssel, schleudert sie von sich fort, rast über sie hinweg weiter.
Wölfe tauchen aus der Dunkelheit auf und springen den Männern an die Kehle. Gorillas schlagen sich wütend an die Brust und gehen zum Angriff über.
Ein Nashorn, dessen dunkler Panzer im Schein der menschlichen Fackeln matt glänzt, prallt auf einen explodierten Panzer, wirft sich herum, donnert durch die Nacht, ist verschwunden.
Fänge – Krallen – Reißzähne – Schreie – Trompetenstöße – Gebrüll –
Vom Himmel herab regnet es Schlangen.
*
Stille. Tiefes, entsetztes Schweigen. Kein Windhauch mehr, der Regen hat aufgehört, die Donner sind verstummt.
Die Schlacht ist vorüber.
Der graue Morgennebel senkt sich über die Verbrannten, die Zerrissenen, die Ersäuften, die Zerschmetterten, die Vergifteten, die leblosen Gestalten.
Bewegungslose Lastwagen. Umgestürzte Panzer, von denen ein öliger Rauch aufsteigt, der ihre aufgerissenen Flanken verbirgt. Der Tod beherrscht das Feld. Nur eine Schlacht in einem langen Krieg.
Sieg.
Alle sind tot.
Die Mädchen reckten und streckten sich. Sie hoben die Arme und gähnten dazu. Sie sahen sich gegenseitig an und kicherten schüchtern. Einige wurden rot. Andere sahen schuldbewußt zu Boden.
Dann brachen sie aber doch in lautes Gelächter aus. Sie öffneten ein neues Päckchen Kaugummi, holten Puderdosen aus den Taschen und sprachen leise miteinander. In dem vertraulichen Flüstern, mit dem Privatgeheimnisse weitergegeben werden.
Leises Lachen erfüllte den warmen Raum.
»Sind wir Mutanten nicht schrecklich?« fragte ein Mädchen, während sie sich die Nase puderte.
Dann gingen sie alle zusammen zum Frühstück.
Mamas Zimmer
Hier ist alles ruhig und ich bin es auch.
Großmutter hat mich in mein Zimmer eingeschlossen und will mich nicht herauslassen. Weil es passiert ist, sagt sie. Ich glaube, daß ich böse war. Aber daran ist nur das Kleid schuld. Mamas Kleid meine ich. Sie ist für immer fortgegangen. Großmutter sagt, deine Mama ist im Himmel. Das kann ich nicht begreifen. Wieso ist sie im Himmel, wenn sie tot ist.
Jetzt höre ich Großmutter. Sie ist in Mamas Zimmer. Sie legt Mamas Kleid in die Schachtel zurück. Warum tut sie das immer. Und dann schließt sie es ein. Das mag ich nicht gern. Es ist ein hübsches Kleid und riecht so gut. Und warm. Ich habe es mir manchmal an das Gesicht gehalten. Aber jetzt kann ich das nicht mehr. Weil Großmutter böse auf mich ist.
Allerdings weiß ich es nicht ganz sicher. Heute war ein ganz gewöhnlicher Tag wie alle anderen. Mary Jane kam zu uns. Sie lebt in einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie kommt jeden Tag zu mir und wir spielen. Auch heute.
Ich habe sieben Puppen und ein rotes Feuerwehrauto. Heute sagte Großmutter, spielt schön mit den Puppen und ihm. Geht nicht in Mamas Zimmer, sagte sie. Das sagt sie immer. Ich glaube, daß sie nicht will, daß ich dort etwas unordentlich mache. Darum sagt sie es so oft. Geh nicht in Mamas Zimmer. Einfach so.
Aber in Mamas Zimmer ist es schön. Wenn es regnet gehe ich dorthin. Oder wenn Großmutter ihren Mittagsschlaf hält. Ich bin ganz leise. Ich sitze nur auf dem Bett und fasse die weiße Decke an. Wie früher als ich noch klein war. Das Zimmer riecht gut.
Ich stelle mir vor, wie Mama sich anzieht und bilde mir ein, daß ich zusehen darf. Ich rieche ihr weißes Seidenkleid. Ihr Kleid zum Ausgehen. Ich erinnere mich daran, daß sie es so genannt hat.
Wenn ich sehr gut hinhöre glaube ich ein leises Knistern zu vernehmen. Ich sehe Mama vor mir an dem Toilettentisch sitzen. Wie sie gerade eine Flasche Parfüm oder etwas in der Hand hat, meine ich. Und ich sehe ihre großen schwarzen Augen. Ich erinnere mich an alles was mit ihr zusammenhängt.
Es ist so nett wenn es regnet und ich Augen am Fenster sehe. Der Regen klingt wie ein großer Riese dort draußen. Er sagt pscht pscht damit alle Leute still sind. Ich stelle mir gern vor wie er das sagt, wenn ich in Mamas Zimmer bin.
Aber fast am liebsten sitze ich doch vor Mamas Toilettentisch. Er ist ganz rosa, sehr groß und riecht so gut. Der Hocker davor hat ein weiches Kissen, das darauf aufgenäht ist. Überall stehen
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