TTB 109: Unendlichkeit x 5
geht hier eigentlich vor ...«, begann er, aber der Polizist ließ ihn nicht ausreden.
»Schon gut. Haben Sie etwas gegen diesen Herrn vorzubringen?« Er wies auf George.
»Ich wollte ...«
»Dann brauchen Sie nicht mehr länger herumzustehen. Auch die anderen Herrschaften gehen gefälligst weiter.« Unterdessen hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die sich jetzt nur widerstrebend auflöste.
George ließ sich bis zu einem Taxi führen, wollte aber nicht einsteigen.
Er sagte: »Vielen Dank, aber ich bin nicht Ihr Gast.«
Aber der Grauhaarige lächelte nur und erwiderte: »Bisher noch nicht, aber Sie sind es jetzt. Aber ich muß mich Ihnen noch vorstellen – Ladislaus Ingenescu, Registrierter Historiker.«
»Aber ...«
»Kommen Sie ruhig mit. Ich wollte Ihnen nur weitere Unannehmlichkeiten auf der Polizei ersparen.«
»Aber weshalb?«
»Brauchen Sie unbedingt einen Grund? Schön, sagen wir also, daß ich ehrenhalber Mitbürger Ihrer Heimatstadt bin, weil wir für den gleichen Mann geklatscht haben. Und die Bürger der gleichen Stadt müssen zusammenhalten, selbst wenn die Verbindung nur ehrenhalber besteht. Habe ich nicht recht?«
George nickte unsicher und fand sich plötzlich in dem Taxi wieder. Bevor er sich überlegt hatte, daß er lieber wieder aussteigen sollte, hatte das Fahrzeug sich bereits in Bewegung gesetzt.
*
Während der Fahrt bestritt Ingenescu den größten Teil der Unterhaltung, indem er auf Sehenswürdigkeiten hinwies und Erinnerungen an vergangene Olympische Spiele einflocht. George hörte allerdings kaum zu, sondern beobachtete genau, welche Richtung das Taxi nahm.
Steuerten sie etwa auf eine der Öffnungen in der Abschirmung zu, um die Stadt zu verlassen?
Nein, sie bewegten sich auf die Stadtmitte zu, und George seufzte unhörbar. Inmitten des Häusergewirrs fühlte er sich sicherer.
Das Taxi hielt vor einem Hotel. Als sie ausstiegen, sagte Ingenescu: »Ich hoffe, daß Sie eine Einladung zum Abendessen mit mir nicht ausschlagen werden?«
»Nein«, antwortete George und grinste verkrampft. Allmählich spürte er deutlich, daß er heute das Mittagessen ausgelassen hatte.
Ingenescu ließ ein reichhaltiges Abendessen für zwei Personen auf sein Zimmer bringen. Sie aßen schweigend. Weit unter ihnen lag San Francisco in seiner strahlenden Festbeleuchtung.
Ingenescu sprach erst wieder, als der Kaffee serviert wurde. »Sie haben sich benommen, als glaubten Sie, daß ich Ihnen schaden wollte.«
George wurde rot, stellte seine Tasse ab und versuchte zu widersprechen, aber der Ältere lachte und schüttelte den Kopf.
»Doch, doch, ich habe recht. Ich habe Sie lange genug beobachtet und glaube, daß ich ziemlich viel über Sie weiß.«
George wäre vor Schreck fast aufgesprungen.
»Bleiben Sie ruhig sitzen«, meinte Ingenescu freundlich. »Ich möchte Ihnen nur helfen.«
George setzte sich wieder und überlegte verwirrt. Wenn der Alte wußte, wen er vor sich hatte, warum hatte er ihn dann nicht dem Polizisten überlassen? Und weshalb sollte er seine Hilfeleistung freiwillig anbieten?
»Sie möchten wissen, warum ich Ihnen geholfen habe?« meinte Ingenescu lächelnd. »Sie brauchen mich nicht so ängstlich anzusehen – ich bin kein Gedankenleser. Ich habe nur eine gute Ausbildung im Umgang mit Menschen gehabt, durch die ich Reaktionen richtig einschätzen kann. Verstehen Sie das?«
George schüttelte den Kopf; Ingenescu sprach weiter. »Denken Sie nur an unser erstes Zusammentreffen. Sie standen in einer Schlange, um einen Wettbewerb zu sehen, aber ihre unbewußten Reaktionen stimmten mit dieser Absicht nicht überein. Ihr Gesichtsausdruck war falsch, ihre Handbewegungen waren falsch. Das bedeutete, daß irgend etwas mit Ihnen nicht ganz stimmte – und interessanterweise mußte es sich dabei um einen nicht alltäglichen Fall handeln. Ich überlegte mir, ob Sie vielleicht selbst gar nichts davon ahnten.
Deshalb folgte ich Ihnen aus reiner Neugier und setzte mich neben Sie. Als der Wettbewerb vorüber war, ging ich Ihnen wieder nach und belauschte Ihre Unterhaltung mit Ihrem Freund. Von diesem Augenblick an waren Sie für mich als Studienobjekt – tut mir leid, wenn das etwas nüchtern klingt – zu wertvoll, als daß ich Sie einfach einem Polizisten hätte überlassen können.« Ingenescu lächelte aufmunternd. »Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie bedrückt?«
George konnte sich nicht zu einer klaren Entscheidung durchringen. Wenn es sich um eine Falle handelte,
Weitere Kostenlose Bücher