TTB 110: Im Reich der Dämonen
Außenwelt gestoßen worden. Vielleicht hatte er sein Plätzchen in dieser Gemeinschaft gefunden. Schließlich war es sogar möglich, daß er in seinem früheren nebelhaften und vergessenen Leben ein Wildbeuter gewesen war. Ironie des Schicksals.
Der Laster holperte über den schmutzigen Gang und ließ die Lichter zurück. Sechs andere folgten ihm. Diesmal sollte der Beutezug anders verlaufen – wenigstens für Stead.
Von Zeit zu Zeit, hatte man ihm erklärt, wenn der Unsterbliche ein neues, reichhaltiges Lager von Nahrungsmitteln oder Rohstoffen schuf, bauten die Jäger und Wildbeuter in der Außenwelt ein provisorisches Hauptquartier auf. Sie zogen aus und lieferten ihre vollen Säcke bei diesem Hauptquartier ab. Dadurch konnten sie öfter hin- und herfahren und ein Depot errichten, das von Lastwagen ins Innere geschafft wurde. Die Regeln galten immer noch. Nur gewisse Mengen durften von einem Platz genommen werden. Alle Spuren ihrer Anwesenheit mußten verwischt werden. Sie selbst konnten sich nur für kurze Zeit in der Außenwelt zeigen.
Die Regeln umfaßten eben sämtliche Ausnahmezustände. Ein Satz insbesondere amüsierte Stead immer wieder. Er besagte klar und deutlich, daß es strengstens untersagt war, auf einen Dämon zu schießen. »Auf ein Phantom, auf ein Phantasiegebilde zu schießen?« hatte Stead damals kopfschüttelnd gefragt. Aber keiner lachte. Sie hatten ihn kaum beachtet. Die Wildbeuter hingen mit einer Liebe an ihren kindlichen Geschichten von den Dämonen, die Stead ärgerte und doch beeindruckte. Sie hätten Simon und Della nur eine halbe Stunde zuhören sollen. Das würde ihnen diesen Unsinn schon austreiben.
Man hatte ihm den Zeitplan sorgfältig erklärt.
»Unser Vierundzwanzig-Stunden-Tag mit seinen drei Acht-Stunden-Teilungen – nun, das gilt nicht für die Außenwelt.« Thorburn deutete auf seine Armbanduhr. »Da draußen haben wir eine achttägige Dunkelheitsperiode, der ein zweitägiges Ansteigen des Lichts folgt. Als wir das letztemal im Freien waren, wurde das Licht gerade heller. Schließlich erleben wir wieder eine achttägige Spanne, in der das Licht so grell wird, daß man nach vier Tagen nicht mehr ins Freie kann. Nach dieser Zeit nimmt es wieder ab und geht nach zwei weiteren Tagen in Dunkelheit über.«
Old Chronic nickte. »Zu Lebzeiten meines Vaters war diese Einteilung anders. Damals war es fast die ganze Zeit dunkel. Nur etwa drei Tage Licht insgesamt.«
Julia, die im Hintergrund des Lastwagens saß, mischte sich ein. »Und mein Großvater erzählte mir, daß sein Großvater immer davon sprach, in seiner Zeit sei es nahezu nie dunkel geworden. Das muß ein schreckliches Geschäft für die Wildbeuter gewesen sein.«
Stead hatte nachgerechnet. »Das heißt also, daß zur Zeit die Helligkeitsperiode zu Ende geht.«
»Ja. Deshalb hatten wir auch eine kleine Verschnaufpause. Aber jetzt geht es weiter.« Er warf einen Blick nach hinten.
Den sieben Wildbeuterwagen folgten zehn Soldatenautos. An der Spitze befanden sich ebenfalls Soldaten. Arkon wollte die Reichtümer, die die Wildbeuter hereinbrachten, nicht ungeschützt lassen. Das war wieder etwas gewesen, was Stead anfangs nicht verstehen konnte. Es gab zwei Arten der Außenwelt. Soviel wußte er schon. Die Außenwelt der Gänge, Tunnels und Mauererker, die jenseits der Gehege lagen. Das war die Welt, in der Soldaten von feindlichen Reichen und Föderationen auf der Lauer lagen, um die Reichtümer und Frauen von Arkon zu rauben. Von dieser Welt sprachen die Gouverneure immer. Aber es gab noch eine zweite Welt – die wirkliche Außenwelt – die Welt der Jäger und Wildbeuter, eine Welt, die die Gouverneure nur sehr selten und zaghaft erwähnten. Und das war die Welt der Dachlosigkeit , der Köter und – der Dämonen? Er wurde ein fröstelndes Gefühl nicht los.
Stead bemerkte, daß ihn Honey ansah. Er lächelte.
Sofort wandte sie den Blick ab und beschäftigte sich mit ihrem Funkgerät. Wieder einmal dieses Geheimnis, das er wohl nie durchschauen würde. Honey war eine Frau. Vielleicht erklärte das alles. So scheu und winzig sie war, sie rief in ihm ein Gefühl wach, das schwer zu definieren war. Es war anders als sein Gefühl für Della – und doch verwandt. Ja – es war auch mit den stürmischen Empfindungen verwandt, die er Belle gegenüber gehegt hatte.
Julia – nun ja, Julia hätte trotz ihres körperlichen Unterschiedes auch ein Mann sein können. Dennoch schien sich Thorburn für sie zu
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