TTB 111: Im Banne der Zeitmaschine
Erziehung in konzentrierter Form auf einen Erwachsenen haben würde, der vielleicht fünfundzwanzig Jahre seines Lebens gefaulenzt hat. Die Beanspruchung wäre ungeheuer. Ob der Körper und der Geist den Belastungen gewachsen wären? Glauben Sie mir, Chester, die Ergebnisse eines solchen Versuchs wären unschätzbar wertvoll.«
»Nicht für mich. Ich ...«
»Zum Beispiel Sie, Chester. Bis auf die lebensnotwendigen Fähigkeiten und einige zusätzliche Begabungen wie das Bridgespiel sind Sie völlig untrainiert, obwohl Sie normal entwickelt sind. Ihr Körper ist schwach, der Wille wenig gefestigt, der Geist kaum benutzt ...«
»Vielleicht bin ich zu wenig an die frische Luft gekommen.«
»Das alles macht Sie für einen Versuch dieser Art ideal geeignet – falls Sie sich freiwillig für dieses Experiment melden möchten.«
»Ich möchte zu meinem Teppich zurück.«
Norgo nickte. »Eben.«
Chester runzelte die Stirn. »Sie meinen – das ist reine Erpressung!«
»Sagen wir lieber, daß der Teppich in dem Augenblick freigegeben wird, in dem der Versuch abgeschlossen ist.«
»Wie lange dauert das Experiment?«
»Ich möchte Ihnen das Ausbildungsprogramm, das sonst vierundzwanzig Jahre in Anspruch nimmt, nach Möglichkeit innerhalb eines einzigen Jahres vermitteln, Chester.«
»Ein ganzes Jahr! Aber ...«
»Ich weiß; Sie machen sich Sorgen wegen Ihrer imaginären Spielgefährten.«
»Wie oft soll ich ...«
Norgo wandte sich ab, als der Ober mit einem Tablett erschien. »Teilen Sie mir gelegentlich mit, wofür Sie sich entschlossen haben, Chester.«
»Wenn ich zustimme – darf ich dann auf den Teppich zurück?«
Norgo nickte.
»Das ist wirklich der gemeinste Trick, den ich je erlebt habe«, beklagte sich Chester.
Norgo zog die Augenbrauen in die Höhe. »Soll das heißen, daß Sie nicht wollen?«
»Wann kann ich anfangen?«
6
Chester und Norgo stiegen aus dem Hubschrauber, in dem sie das Zentrum verlassen hatten, Chester sah sich neugierig um, betrachtete die bewaldeten Hügel und das flache Gebäude, das sich vor ihnen erhob. Über dem Eingang stand in Stein gehauen: IST-NICHT IST NICHT NICHT-IST Norgo ging über den gepflegten Rasen voraus in die Eingangshalle, deren Mosaikfußboden in einem eigenartigen Gegensatz zu den weißen Wänden stand.
»Ah, da kommt ja schon Kuve«, sagte Norgo.
Ein großer junger Mann mit hellblonden Haaren und einem energisch wirkenden Kinn kam näher. Er begrüßte Norgo und betrachtete Chester kritisch.
»So, das ist also mein Versuchsobjekt«, sagte er und ging um Chester herum. »Du kannst mich übrigens gleich Kuve nennen – hier gibt es keine Mister. Zieh das Hemd aus, bitte.«
»Gleich hier? Ich dachte, ich würde noch etwas Zeit haben, um auszupacken, zu duschen, einen Spaziergang zu machen, mit den anderen Studenten bekannt zu werden und ...«
Kuve unterbrach ihn. »Hier gibt es weder für Spaziergänge noch Kaffeepausen Gelegenheit. Dein Ausbildungsplan liegt bereits fest. Das Innere des Gebäudes lernst du im Laufe der Zeit kennen.«
Chester zog sich langsam das Hemd über den Kopf. »Das klingt ja eigenartig. Wie oft darf ich denn in die Stadt zurück?«
»Noch etwas«, sagte Kuve interessiert, »hältst du dich in irgendeiner Beziehung für einzigartig?«
»Ich bin völlig normal!«
Kuve betrachtete Chester nachdenklich. »Du bist wirklich ein erstklassiges Versuchsobjekt«, stellte er dann beifällig fest. »Norgo hat nicht übertrieben. Fortgeschrittener Muskelschwund, deutliche Anzeichen für Kreislaufschwächen, minimales Fassungsvermögen der Lungen, schlechte Hautfarbe, gebeugte Körperhaltung ...«
»Tut mir leid, wenn ich deinen Erwartungen nicht entspreche«, antwortete Chester trotzig.
»Oh, ganz im Gegenteil. Du übertriffst sie sogar noch. Ich habe ein komplettes Trainingsprogramm für dich zusammengestellt.«
»Das ist aber schnell gegangen. Ich habe mich erst vor drei Stunden freiwillig gemeldet.«
»Ich habe schon vor vier Wochen damit begonnen, als Norgo mir erzählte, daß du dich melden würdest.«
*
Chester folgte Kuve den langen Korridor entlang, bis sie einen kleinen Raum erreichten, an dessen Wänden Regale standen. Kuve wies auf ein Fach. »Hier sind deine Sachen. Du kannst sie gleich anziehen.«
Chester zwängte sich in ein Paar weiße Shorts, schnallte die Sandalen zu und sah Kuve fragend an. »Ist das alles? Ich komme mir nicht richtig angezogen vor.«
Ein Mädchen in einem weißen Kittel betrat den
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