TTB 115: Diplomat der Galaxis
und Händler. Die Industrie nimmt in ihrer Wirtschaft nur einen geringen Platz ein. Mit ihrer Hilfe kann gerade noch die Handelsflotte erhalten werden – aber das ist auch alles. Das Kriegspotential ist gleich Null.«
Magnan klopfte auf den Umschlag.
»Ich habe hier einige Dinge«, sagte er feierlich, »die das Bild vollkommen ändern werden.« Er lehnte sich zurück und sah Retief an.
»Gut, Mister Magnan«, sagte Retief. »Ich bin ganz Ohr. Was ist in dem Umschlag?«
Magnan spreizte die Finger.
»Erstens«, sagte er, »der Kriegsplan der Soetti in allen Einzelheiten. Wir hatten das Glück, mit einem Verräter Kontakt aufzunehmen. Er gehörte zu einer Gruppe abtrünniger Terraner, die die Soetti beraten hatten. Zweitens – ein Verteidigungsplan für Jörgensens Welten, von unserer strategischen Abteilung ausgearbeitet. Und schließlich ein Geheimschema zur Umwandlung eines normalen Anti-Beschleunigungsfeldes in eine höchst wirksame Waffe – eine Entwicklung, die unsere Leute für ähnliche Situationen wie diese aufgespart haben.«
»Ist das alles? Sie haben noch zwei Finger übrig.«
Magnan sah seine erhobenen Finger an und legte die Hand flach auf den Tisch. »Das ist der unrechte Zeitpunkt für spöttische Bemerkungen, Retief. In falschen Händen könnten sich diese Papiere katastrophal auswirken. Prägen Sie sich ihren Inhalt ein, bevor Sie dieses Gebäude verlassen.«
»Ich nehme sie versiegelt mit«, unterbrach ihn Retief. »Niemand wird sie bei mir finden.«
»Wie Sie wünschen. Noch eine Warnung: Lassen Sie Ihre persönlichen Gefühle beiseite. Die Gesamtpolitik verlangt eine Verteidigung dieser rückständigen Welten, andernfalls würde das Corps nicht den natürlichen Lauf der Geschichte unterbrechen.«
»Wann soll der Angriff stattfinden?«
»In nicht ganz vier Wochen.«
»Dann bleibt mir also nicht mehr viel Zeit.«
»Ich habe Ihren Reiseweg bereits hier. Bis Aldo Cerise ist alles klar. Von dort aus müssen Sie sich selbst irgendwie durchschlagen.«
»Und wie komme ich wieder zurück?«
Magnan besah sich seine Fingernägel. »Sie könnten den Auftrag auch verweigern ...«
Retief lächelte und blies einen Rauchring an Magnans Ohr vorbei.
»Diese Umwandlung ... wie lange dauert sie?«
»Ein erfahrener Elektroniker könnte sie in ein paar Minuten durchführen. Ich glaube, daß die Leute auf Jörgensens Welten schon damit fertigwerden.«
Retief öffnete den Umschlag, den ihm Magnan überreicht hatte. Er sah die Fahrkarten an.
»Abreise in weniger als vier Stunden«, stellte er fest. »Da lohnt es sich nicht mehr, ein langes Buch anzufangen.«
»Sie sollten sich lieber zur Unterweisung begeben.«
Retief stand auf. »Wenn ich mich beeile, komme ich noch zum Zeichentrickfilm zurecht.«
»Ich habe diese Bemerkung überhört«, meinte Magnan kühl. »Und noch eines: Die Soetti überwachen die Handelswege nach Jörgensens Welten. Seien Sie vorsichtig, daß man Sie nicht verhaftet.«
»Wenn ich in der Klemme bin«, meinte Retief nüchtern, »nenne ich Sie als Bürgen.«
»Sie reisen inkognito«, fauchte Magnan. »Niemand darf ahnen, daß Sie zum Corps gehören.«
»Ich reise als Gentleman. Da erkennt mich ohnehin niemand.«
»Machen Sie sich lieber fertig.« Magnan beschäftigte sich ostentativ mit seinen Akten.
Retief ging zur Tür und sah sich noch einmal um.
»Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich meinen Strahler mitnehme?«
Magnan sah auf. »Nein, eigentlich nicht. Was haben Sie damit vor?«
»Nichts. Nur so eine komische Eingebung.«
*
Retief stellte den schweren abgewetzten Reisekoffer ab und beugte sich über den Schalter. Er studierte die Fahrpläne unter dem Schild: ALDO CERISE INTERPLANETARISCHE VERBINDUNGEN. Ein Beamter mit einer verwaschenen Jacke und einem Kummerbund aus imitiertem Schlangenleder säuberte seine Fingernägel und beobachtete Retief aus dem Augenwinkel. Er kaute ein Stückchen Nagel ab und spuckte es auf den Boden. »Gibt es etwas?« fragte er.
»Die Zweiundzwanzig-acht soll heute nach Jörgensens Welten abgehen. Ist es auf dem Fahrplan?«
Der Beamte kaute seine Unterlippe und sah Retief an. »Schon besetzt. Versuchen Sie es in ein paar Wochen noch einmal.«
»Wann startet das Schiff?«
Der Beamte lächelte mitleidig. »Ich mache jetzt Mittag. In einer Stunde bin ich wieder zu sprechen.« Er hielt den Daumen hoch und betrachtete prüfend den Nagel.
»Wenn ich um den Schalter herumkommen muß«, sagte Retief, »lasse ich Sie Ihren Daumen
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