TTB 116: Freibeuter im Weltraum
reichte schwarz und phosphoreszierend von einem Horizont zum anderen. In weiter Ferne erhob sich der dunkle Umriß einer Insel aus der See. Er, mußten die Vorposten des Iles des Rêves sein, die in langer Kette zur Halbinsel Notre Dame überleiteten. Heim schwitzte. Er mußte den Archipel zwischen sich und die Beobachtungsinstrumente bringen, die man weiter nördlich beim Uranbergwerk aufgestellt hatte, bevor er die Triebwerke wieder einschalten durfte. Das war keine leichte Aufgabe. Das Schiff verlor sehr schnell an Höhe, denn es besaß keine Tragflächen, und sein ungefüger Rumpf war nicht für aerodynamische Manöver konstruiert. Vorsichtig schaltete er eine der Steuerungsdüsen ein und hob die Nase des Schiffes ein wenig an.
Viel günstiger wäre es gewesen, über dem Océan des Orages niedergehend von Osten her das Pays d’Espoir und das unbewohnte Terre Sauvage zur Zentralkette des Kontinentes zu überfliegen. Aber Meteoriten haben ihre Eigengesetzlichkeiten, selbst wenn man sie in die Nähe eines Planeten schleppt und versucht, sie in eine geeignete spiralenförmige Umlaufbahn zu bringen.
Das Schiff fiel weiter, bis der Ozean ringsum anzusteigen und nach ihm zu lecken schien. Es wäre nicht möglich gewesen, unbemerkt so weit über zivilisiertes Gebiet vorzudringen. Aber Neu-Europa war eine Welt mit zweiundsiebzig Prozent der Erdoberfläche. Coeur d’Yvonne war der einzige Vorposten der Zivilisation auf einem anderen Kontinent als Pays d’Espoir, und diese Stadt war ausradiert worden. Die Alerionas hielten die Garance besetzt, wo die meisten Städte, Fabriken und Bergwerke lagen, und auch das war nur der Randstreifen einer gewaltigen Landmasse. Zur Kontrolle des Planeten mußten sie sich auf ein weitmaschiges Netz von Beobachtungsstationen, auf das noch unfertige Satellitensystem und auf Patrouillenflieger verlassen. Nachdem er unbemerkt in die Atmosphäre eingedrungen war, sah sich Heim von den Verhältnissen begünstigt.
Als der Archipel hinter ihm lag und die Meroeth fast das Wasser pflügte, schaltete er die Maschinen wieder ein. Wie ein fliegender Wal hob das Schiff die Nase und dröhnte westwärts. Sie überflogen eine Insel. Heim machte die Brandung, einen von Bäumen beschatteten Strand aus und bildete sich ein, er könne das Rauschen der Wellen hören und die warmen Düfte des subtropischen Waldes riechen. Die Vision war nur kurz und undeutlich und verstärkte den Eindruck einer Trauminsel.
Über dem weiten Golfe des Dragons änderte er den Kurs nach Nordwesten. Diana stieg als silbrige Scheibe über den Horizont. Der Mond war kleiner als der Erdmond und nicht so hell, aber sein Licht reichte aus, um ein silbernes Band über das Meer zu legen.
Dann kam das Festland in Sicht, mit Hügeln und Wäldern und fernen Schneegipfeln. Heim zog das Schiff auf tausend Meter Höhe. »Gehen Sie ans Radio, Irribarne«, sagte er. »Wir wollen nicht, daß Ihre Freunde weglaufen und sich verstecken, wenn sie uns sehen, von einem Angriff ganz zu schweigen. Wie heißt der Ländeplatz, den Sie vorgeschlagen haben?«
»Lac aux Nuages«, sagte Irribarne.
Heim suchte mit dem Zeigefinger auf der Karte. »Ja, hier sehe ich ihn. Ein großer See im Hochland. Ist es nicht zu gefährlich, dort zu bleiben?«
»Es gibt viele Verstecke, gerade weil der See so groß und neblig ist und so viele Inseln hat«, antwortete Irribarne. »Außerdem kann man sich im Falle eines Angriffs immer in die Wildnis des Hinterlandes zurückziehen.« Er ließ die Sprechanlage eingeschaltet, und Heim hörte ihn den Gefechtsstand verlassen und zur Radiozentrale gehen. Kurz darauf begann er in seinem abgehackten baskischen Dialekt zu sprechen.
Das Land stieg an und wurde mit jedem Kilometer wilder und ursprünglicher. Flüsse aus den Bergen stürzten über breite Wasserfälle in tiefe, dunkle Täler und verloren sich im Urwald. Ein riesiger Vogelschwarm flog vor dem Schiff auf; Millionen von Schwingen verdeckten den halben Himmel. Vadasz starrte in ehrfürchtiger Bewunderung hinaus. »Ich habe mich immer gefragt«, sagte er, »wie lange diese vielen Leute sich wohl im Busch versteckt halten können. Wenn man dies hier sieht, wundert man sich nicht mehr. Millionen könnten hier leben.«
»Ja«, grunzte Heim. »Bis auf eine Kleinigkeit hätten sie alles, was sie brauchen.«
Der See tauchte auf, ein riesiger blasser Spiegel zwischen dunklen Wäldern, in der Ferne von Bergen umringt, deren Gletscher unter dem Mond schimmerten. Irribarne wies
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