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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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setzte sie sich auf den Rand der Liege und überlegte, wie alles beendet werden könnte. Sie war von jenem Rest eiskalter Entschlossenheit erfüllt, die einen Menschen über sich hinauswachsen läßt oder ihn ins Verderben treibt.
    Schluß mit dem Mitleid! Jener Kretin dort draußen sollte verhungern oder von einer ssfaira zerschmettert werden, dachte sie. Die Wahl: ich oder er muß zu meinen Gunsten ausgehen.
    Noguera stand vor dem verschlossenen Wohnwagen und wußte nicht, warum Nannie vor ihm weggelaufen war; schließlich hatte er nur mit ihr gespielt; so wie damals vor rund zehn Jahren …
    Als er müde wurde, ließ er sich in den Sand fallen und schlief einfach ein. In seinem Hirn war kurz nach dem Absturz ein Schlüssel herumgedreht worden, der eine große Tür hätte öffnen sollen. Aber jene Tür, hinter der die Erkenntnis auf Noguera wartete, klemmte und ließ sich nicht mehr weiter öffnen. Das wußte der Pilot natürlich nicht.
     
    *
     
    Die letzten Tage waren ein regelrechtes seelisches Spießrutenlaufen. Anjanet schaffte es irgendwie, diese Tage durchzustehen. Der Gedanke an die Staubwolke, in der Randall seinen schweren Schrauber landen würde, war die einzige Kraft, die sie noch aufrechterhielt. Tagsüber arbeitete sie mit äußerster Konzentration mit den Kindern und entließ sie am letzten Abend mit den ausgeschriebenen Urkunden. Für ein Pionierleben waren die Ranchersöhne und Mädchen gewappnet, was das Wissen betraf.
    Sollte einer von ihnen weiterlernen wollen, mußte er nach Tejedor City ziehen oder nach Terra ausgeflogen werden; der terranische Pädagogische Dienst hatte seine Arbeit abgeschlossen. Zum letztenmal scheuten die laughs , wurden Sandwolken von den Luftströmen hochgerissen. Dann verklangen die anfeuernden Schreie in der Ferne. Stille breitete sich aus – die letzte Nacht an diesem Ort. Die letzte Nacht mit Noguera. Nicht einmal Anjanet erkannte sich selbst im Spiegel; sie wirkte wie ihre eigene Mutter. Gealtert, von harten Linien gezeichnet und verwahrlost. Erschöpft, ein Mensch am absoluten Ende seiner seelischen Kräfte. Woher die Reserven stammten, die sie vom letzten Schritt abhielten, ahnte Anjanet nicht. Sie wußte jedenfalls sehr genau, wie Selbstmördern zumute war.
    »Nannie«, sagte Noguera, der braungebrannt und ausgeschlafen unter dem vorspringenden Dach des Schulzimmers saß, Sand durch seine Finger rieseln ließ und einen dreißig Tage alten Bart hatte.
    »Ja?« fragte sie kurz und widerwillig.
    »Spielen, Nannie?« Er stand auf.
    »Nein!« schrie sie und floh zurück in den Wohnwagen. Die Hitze darin war mörderisch, aber der Wagen bot Schutz vor seinen Anhänglichkeiten.
    Die Tür schloß sich. Vier Stunden später jammerte er draußen so laut, daß sie ein Fenster öffnete und hinaussah. Der Mann lag im Sand, der noch von der Tageshitze glühte, zuckte und bebte und schluchzte vor sich hin.
    »Durst … Nannie!« wimmerte er undeutlich. Schließlich siegte wieder die Verantwortung; Anjanet konnte ihn unmöglich verdursten lassen. Auch Strafe war sinnlos – er würde es nicht als Strafe empfinden können. Sie füllte einen großen Becher mit Fruchtsaft, ging hinaus und achtete darauf, nichts zu verschütten.
    Noguera griff ungeschickt nach dem Becher und trank ihn aus. In den schönen Augen des Mannes glänzten Tränen.
    »Nannie«, schluckte Noguera, »danke.«
    Es war das einzigemal, daß er dieses Wort gebraucht hatte.
    »Bitte«, sagte sie überrascht. »Immer noch durstig?«
    »Nein, Nannie«, sagte er, »spielen jetzt.«
    »Kein Spiel mehr. Es gibt keine Spiele.«
    Er lächelte überrascht und ungläubig.
    »Es gibt keine Spiele? Warum?«
    »Weil mir deine Spiele zum Hals heraushängen«, erwiderte sie scharf. »Abgesehen davon, daß ich von Glück reden kann, daß ich noch am Leben bin.«
    »Spiele sind schön!« rief er unschuldig.
    »Nein!« sagte sie. Er lächelte und stand auf. Sie wollte fliehen, hatte den Entschluß aber eine Sekunde zu spät gefaßt. »Es reißt die Fessel …«, sang der Raumpilot, »… es rennt der Wolf!« Sie wehrte sich in seinen Armen, aber die stählernen Griffe hielten sie fest wie in einem Schraubstock. Noguera lief lächelnd, obwohl ihn die Fausthiebe pausenlos trafen, hinein in den Wohnwagen, blieb vor der Liege stehen und ließ Anjanet fallen. Einige schnelle und erstaunlich zielbewußte Bewegungen des Mannes bewirkten, daß binnen kurzer Zeit Anjanet gefesselt war.
    »Wie beim Spiel!« Der bärtige Pilot freute sich

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