TTB 117: Lichter des Grauens
Kindern aus diversen Notlagen zu helfen.«
Abram lächelte. Es war seltsam; Anjanet sah ihn an und begann zu weinen, ohne es verhindern zu können. Sie sah nur in die dunklen Augen unter den buschigen Brauen. Langsam ging Abram um den Tisch herum, legte seine große Hand auf Randalls Schulter, blieb hinter dem Sessel der Frau stehen und strich ihr einige Male übers Haar, dann zupfte er sie am Ohrläppchen, eine Geste, die sie als Kind so geliebt hatte. Dann ging Abram in sein Schlafzimmer. Anjanet und Randall sahen sich lange an und verließen das Zimmer ebenfalls. Als sie die Türen geschlossen hatten, löschte ein Robot das Licht. Er entfernte sich im Dunkel; seine Augen sahen Infrarot. Die Ausstrahlung des Hauses und die Medikamente bewirkten, daß Anjanet binnen weniger Minuten einschlief. Sie schlief traumlos und lange.
Mitten in der Nacht erwachte Randall von seinem eigenen Schrei. Er schlang die bunte Decke um seine Knie und sah zum Fenster hinaus. Bleiches Licht des Mondes lagerte sich überall ab wie Staub. Mörder! sagte eine Stimme in seinen Gedanken.
Zum drittenmal wiederholte sich die Szene. Schweißgebadet erlebte Randall mit, wie der Raumfahrer mit zerschmetterter Hirnschale in den Sand fiel. Randall dachte weiter; er sah sich von den Uniformierten in die Mitte genommen, sich lange Protokolle besprechen und unterzeichnen, sah sich in einem Imperiumsschiff verschwinden, einschlafen in einer der Wabenzellen, er sah sich vor dem Gerichtshof auf Terra.
Fliehen! sagte eine andere Stimme. Er konnte sich auf Tejedor jahrzehntelang verborgen halten, wenn er dies wollte. Der Planet war zu dünn besiedelt. Zudem kannte Randall unzählige Verstecke in allen Teilen dieser Welt, vom tropischen Urwald bis zu einer Meeresbucht. Notwehr. Mord. Flucht … In zehn Jahren konnte die Tat nicht mehr verfolgt werden.
Er war jung. Er wollte noch leben, wollte Sonne sehen und im Sand der warmen Nächte schlafen und reiten. Nichts anderes blieb als die Flucht.
Randall stand auf, wusch sich das Gesicht und zog sich an. Er nahm eine der großen Satteltaschen und begann zu packen. Das Licht des abnehmenden Mondes reichte ihm; er stopfte Stiefel, Socken, Unterzeug und Kleidungsstücke in die Tasche. Dann holte er die Büchse aus dem Schrankfach, lud sie durch und leerte die Munitionskiste in die andere Tasche. Eine Stunde später war er fertig und schlich aus dem Zimmer.
Die Treppe hinunter, hinaus auf den Hof. Ein Wachrobot erkannte ihn und blickte ihn nur aus leuchtenden Augen an. Randall ging langsam hinüber zu den Ställen. Muffige Wärme empfing ihn. Die Reittiere standen an der Krippe und sahen sich nicht um. Er zwängte einem der laughs Kandare und Zügel über, sattelte das Tier und schloß die magnetische Schnalle des Sattelgurts. Er machte wenig Geräusche. Dem Packtier schnürte er die Last auf den Rücken, machte die Decken fest und befestigte den zweiten Zügel am Sattel des Reittieres. Dann brachte er die laughs vorsichtig ins Freie, schwang sich in den hochlehnigen Sattel und ritt los, fast geräuschlos. Die zahme ssfaira , die unter dem Sitz im Schrauber geschlafen hatte, blieb zurück. Eine knappe Stunde Ritt durch die lichtgesprenkelte Dunkelheit brachte ihn zehn Kilometer von der Farm fort. Dann fiel Randall in einen rasenden Galopp. Hinter sich ließ er die Ranch, Vermögen, Stellung und Heimat und – seine eigene Ruhe. Ab diesem Augenblick war ein Ruheloser unterwegs; der erste Mensch dieser Familie, der den guten Schild des Namens beschmutzt hatte.
Nach Norden … Unter der Sichel des Mondes jagten die beiden Tiere. Die Hufe klapperten bald über Felsen, bald über Kiesel des Flußufers, bald wieder über saftigen Savannenboden. Eine Rinderherde wurde unruhig. Dann erreichte Randall den Wald, hinter dem der Felsenwirrwar lag. Hier durchfloß das Wasser eine vulkanische Landschaft von einigen Kilometern Durchmesser, die im Lauf der Jahrhunderte zerrissen worden war und unzählige Verstecke bot. Ein breiter Wasserfall schloß Höhlen, Klüfte und Cañons ab.
Seinen Gedanken aber war Randall nicht entflohen, als er auf dem Band unter dem Wasser hindurchritt und sich dann scharf nach links wandte.
Die nächtliche Stille schlug über ihm zusammen, als er aus dem Sattel stieg. Er war allein.
*
Geräusche schreckten Abram aus dem leichten Schlaf.
Er hielt den Atem an, lauschte und zählte die Hufe von zwei Reittieren, die über den Kies des Hofes raschelten. Ächzend schwang Abram seine
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