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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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ssfaira schleuderte. Das Tier, das seit drei Millionen Jahren seine Art auf diese Weise mit Nahrung versorgt hatte, versteifte den Schwanz und jagte wie eine Pistolenkugel davon. Die steinharte Knochenschale traf Noguera an der Brust und warf ihn in den Sand.
    Augenblicklich rollte die Kugel zurück; der fadendünne Schwanz spulte sich in der Körperkerbe ein – klatschend landete die ssfaira in Randalls Handfläche. Noguera, als habe er ein Signal von einem unsichtbaren Partner erhalten, warf sich herum, kam mit einem tierischen Schrei hoch und richtete die Waffe auf Randall. Er drückte in blindem Reflex den Abzug, und das Magazin verließ aufbrummend den Lauf; eine Kette heranschießender Projektile stob in Randalls Richtung. Der Farmersohn reagierte ungeheuer schnell. Er warf sich nach links, entkam so dem kochenden Krater, der sich an der Stelle auftat, an der er eben noch gestanden hatte, rollte sich über den verwundeten Arm ab und schleuderte die Kugel von sich.
    Eine Zehntelsekunde lang entfernte sich die ssfaira von der Hand, den Langmuskel des Schwanzes als Halt und Steuer benutzend, dann zerschmetterte der Panzer den Kopf des Piloten.
    »Nann …«, gurgelte Noguera, blieb stehen, drehte sich langsam um seine Längsachse und brach zusammen. Blut sickerte in den Sand, und der heiße Lauf der Waffe verbrannte den silbernen Stoff der Hose. Und dann schrie Anjanet – wie jemand, der sich in Todesnot befand.
    Einen Augenblick danach herrschte Schweigen. Dann zerbrach es, als Randall schnalzte. Die ssfaira fiel aus seiner Hand und rollte davon, dem Wasser zu.
    »Aus«, murmelte Randall. Der Schmerz überfiel ihn grimmig und wütend; die Wunde schmerzte. Mühsam ging er auf den Wohnwagen zu, in dessen Eingang Anjanet stand und mit offenem Mund den Toten anstarrte, als könne sie nicht glauben, was sie eben gesehen hatte.
    »Schwester?«
    »Ja?« fragte sie leise und sah ihn abwesend an.
    »Ich blute. Verbinde mich, bitte.«
    Sie nickte stumm.
    Sie stapelten die Tische und Stühle aufeinander, schoben die Platten des Klassenzimmers zusammen und kanteten die Seitenwände hoch, nachdem die Stützen hochgekurbelt worden waren. Der Metallsteg wurde eingeschoben, der Körper des Piloten auf die Liege gebettet und zugedeckt. Als Anjanet die Decke über den Kopf zog, murmelte sie:
    »Es reißt die Fessel, es rennt der Wolf. Das Große Spiel ist zu Ende, Noguera.«
    »Was sagst du, Anjanet?«
    »Nichts, Randy«, erwiderte sie matt. Dieser Schrecken war nicht mehr existent. Ein anderer tauchte auf.
    »Warum?« fragte sie laut. »Es war alles so sinnlos.«
    Mit einer Ruhe, die für einen Sechsundzwanzigjährigen unnatürlich war, entgegnete Randall:
    »Nichts auf dieser Welt geschieht grundlos. Es wird sich erfahren lassen, wenn es an der Zeit ist. Ich hole den Schrauber.«
    Er ging hinaus und hinüber zum Helikopter. Wenige Sekunden, nachdem er die Leiter hochgeklettert war, begannen sich die Rotoren zu drehen. Anjanet zerrte die Fetzen von ihrem Körper, zog sich an und machte den schwachen Versuch, sich zu kämmen; es gelang nur einigermaßen. Als sich an vier Stellen die gespreizten Beine des Fahrwerks über die Wagen senkten, sprang sie aus dem Wagen und befestigte die Klemmverbindungen.
    Wie jemand, der einer Flutwelle entronnen ist, stieg sie Sprosse um Sprosse hoch und ließ sich neben Randall in den Kopilotensessel fallen. Randall reichte ihr eine brennende Zigarette.
    Sie schwieg erschöpft.
    Randall warf den Rest einer Zigarette aus dem Fenster, schob die vier Gashebel vor und zog den Helikopter senkrecht hoch. Rasch wurden die Spuren im Sand kleiner. Dann legte sich die Maschine schräg und drehte ab in Richtung auf Abrams Farm und auf den Raumhafen, der siebentausend Kilometer weit entfernt war.
     
     
    *
     
    Früher Nachmittag: Alles loderte unter Alphards Strahlen.
    Ein ungeheurer Katarakt von Licht sprang aus dem Himmel, rieselte unter die kleinen Wälder der Blauoliven, warf einen mächtigen Blitz aus dem Restwasser eines periodischen Baches, flirrte über Kiesel, machte die Luft erzittern und verströmte sich über dem Wüstensand. Alles lag wie zerschmettert; die Macht der Helligkeit zerfaserte Natur und Gedanken.
    Die sechs Blätter der Horizontalschraube schnitten sirrend die Luft, und die beiden Triebwerke rechts und links der Seitensteuerung jagten den Lastenschrauber vorwärts. In vierzig Metern Höhe entwickelte das stählerne Insekt eine Geschwindigkeit von über zweihundert Stundenkilometern.

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